Kürzlich hat Frau Nora Illi, Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz, die im Islam teilweise noch vorhandene Mehrehe in der Zeitung „Sonntag“ mit folgenden Worten begründet: „Die Aufgabe einer Frau ist es, ihren Mann zufriedenzustellen. Wenn im Koran steht, dass ein Mann mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein kann, dann ist das so. Es liegt in der Natur des Mannes, dass er sich irgendwann nach einer anderen Frau sehnt. Viele Frauen sind zu egoistisch. Ich habe keinen Besitzanspruch auf meinen Mann.“

Diese Aussage ist grob verzerrter Unfug. Es ist richtig, dass im Islam die Mehrehe prinzipiell erlaubt ist. Sie kam aber nicht deswegen auf, weil die Frau den Mann zufrieden zu stellen hat, sondern entstand im Jahre 625 nach der Schlacht von Uhud, in welcher viele Männer fielen. In dieser Zeit lebten in der islamischen Gemeinschaft daher weniger Männer, dafür mehr Frauen und Waisen. Deswegen erlaubte der Prophet die Mehrehe von bis zu vier Frauen, nicht aber aufgrund des Triebes der Männer, sondern um soziale Missstände zu beseitigen.

Der Krux an der Sache: Der Mann muss alle Frauen gleich zufriedenstellen und jeder die gleiche Aufmerksamkeit widmen. Das bedeutet auch, dass er jeder Frau ein eigenes Haus finanzieren und gleich viel Zeit mit jeder verbringen muss. Er darf keine benachteiligen. Aus diesem Grund erlaubte der Prophet die Mehrehe zwar, riet aber von ihr ab, weil er wusste, dass die Bedingungen praktisch unmöglich waren und der Mann somit seine Pflichten als Ehemann kaum hätte erfüllenn können. Der Prophet verbot seinem Schwiegersohn sogar, mehr als eine Frau zu heiraten und sagte gemäss einer Hadith (also einer überlieferten Nachricht): „wenn jemand zwei Frauen hat und sich nur einer von ich ihnen zuwendet, dann kommt er am Tag der Auferstehung mit einer gelähmten Körperhälfte.“ Die Frauen dürfen also auch in einem konservativen Islam ruhig etwas egoistischer sein. Wenn nicht sich selbst, dann der einen Körperhälfte ihrer Ehemänner zuliebe.

*Artikel im Tages-Anzeiger am 4. Juli 2011 erschienen