Ein Schauspiel, das an eine Tragikkomödie erinnert. Anders kann man das Verhalten der FDP Fraktion des Gemeinderats der Stadt Zürich nicht bezeichnen.

Seit einiger Zeit versucht die FDP Stadt Zürich der SVP die rechts-aussen Wählerinnen und Wähler abzujagen, indem sie im Gemeinderat der Stadt Zürich Vorstösse einreichen, die Asylbewerber ins Visier nehmen. Die jahrelangen Attacken seitens der SVP, welche die FDP als „Weichsinnige“ betitelt hat, scheint also zu fruchten. Die FDP schwenkt zunehmend auf die SVP Linie ein (und wird im Parlament immer wieder von der SVP getadelt, wenn sie sich mal traut, anders zu stimmen).

Vorreiterin dieser neuen „hart, aber fairen“ Politik in der Stadt Zürich ist die 31-jährige Tamara Lauber. Tamara Lauber, die in den Walliser Bergen aufgewachsen ist, seit ein paar Jahren in der Stadt Zürich lebt (und somit den klassischen Fall eines innerschweizerischen Wirtschaftsflüchtling darstellt) findet, die FDP Stadt Zürich sei lange „viel zu links“ gewesen. Interessant ist, dass sich diese Kritik unter anderem an den Finanzminister der Stadt Zürich, Martin Vollenwyder, zu richten scheint. Ein FDP-Finanzminister, der seit Jahren im Amt ist, gute Arbeit leistet und die Finanzen der Stadt Zürich im Griff hat, betreibt also zu linke Politik. In beinahe missionarischem Eifer kämpft Frau Lauber gegen alles was nach links riecht. Seien dies die „linke CVP“ oder die „linken Grünliberalen“ (immerhin hat der jahrelange  Vorwurf seitens SVP links zu sein auch bei der FDP zu einer Kurskorrektur nach rechts geführt). Zwischendurch wittert Frau Lauber einen Skandal und eine Verschwendung von Steuergeldern, wenn Gesundheitszentren der Stadt Zürich ein Fest für das Gesundheitspersonal durchführen (wie sich im Nachhinein herausstellt,zu Unrecht). Den Fokus scheint Frau Lauber aber auf Asylbewerber zu legen, wie ich in einer Diskussion mit ihr des Jugendsenders Joiz feststellen konnte. Fakten und Zahlen spielten dabei keine Rolle.

Vor ein paar Wochen war es wieder soweit. Tamara Lauber hat zusammen mit Fraktionschef Roger Tognella einen Vorstoss eingereicht, der fordert, dass in der Stadt Zürich sämtlichen Asylbewerbern, die sich im Asylverfahren befinden, die Sozialhilfe gestrichen wird. Es ist allgemein bekannt, dass die FDP in dieser Frage tief zerstritten ist und sich mit hauchdünner Mehrheit (von einer Stimme) entschlossen hat, einen solchen Vorstoss einzureichen.  Verständlich, der Vorstoss strotzt nicht nur von SVP Vokabular, er beweist auch einmal mehr, dass das Fachwissen bezüglich Asylthematik in der FDP Stadt Zürich ziemlich eingeschränkt zu sein scheint. So schreibt die FDP in der Begründung, dass wer „in Zürich einen Asylantrag stellt“, nur noch Nothilfe erhalten sollen. Dabei vergisst die FDP, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber einer Gemeinde zugewiesen werden, egal wo sie den Antrag auf Asyl gestellt haben und es daher herzlich egal ist, wo sie ihren Antrag stellen.

Im Gemeinderat der Stadt Zürich dauert es normalerweise 2-3 Jahre bis ein Vorstoss behandelt wird. Bei dringenden Fällen kann man einen Vorstoss für „dringlich“ erklären. Wenn 63 Mitglieder des Gemeinderats dieser Dringlichkeit zustimmen, wird der Vorstoss innerhalb von Wochen behandelt. Wie allgemein bekannt ist, entscheidet das Parlament in Bern diesen Herbst, ob man auch jenen Asylbewerbern,  die sich noch in Asylverfahren befinden, die Sozialhilfe streichen und nur noch Nothilfe entrichten soll. Umso erstaunlicher, dass die FDP nicht beantragt hat, ihren Vorstoss jetzt für dringlich zu erklären. Denn in 2 Jahren ist es zu spät und der Entscheid dazu längst gefallen.

Die SP hat die zunehmende Hetze satt. Besonders dann, wenn sogenannte „Mitteparteien“ beginnen, sich einen Wettbewerb mit den Rechten darüber zu liefern wer die härteren Vorstösse gegen Asylbewerber einreicht. Wir entschlossen daher, auf Frontalangriff zu gehen. Am 11. Juli 2012 beantragten wir, den Vorstoss im Rat für dringlich zu erklären. Erstens, weil wir die Debatte nicht scheuen. Und zweitens, weil klar ist, dass eine Mehrheit des Parlaments der Stadt Zürich weiss, dass die Streichung von Soziahilfe für Asylbewerbende gerade in den Städten sehr negative Auswirkungen hat. Zum einen ist es unwürdig, Menschen, deren Asylgesuch noch nicht einmal behandelt wurde (und man somit nicht weiss, ob es sich um berechtigte Gesuche handelt), von Anfang an gleich zu behandeln, wie Asylbewerber, deren Asylgesuch abgelehnt wurde und ihnen Notfhilfe zu entrichten (z.B. 8.- Migros-Gutscheine pro Tag). Weiter zeigen die Erfahrungen, dass Streichung von Sozialhilfe die Kriminalität fördert. So ist es kein Zufall, dass hauptsächlich auf Nothilfe gesetzte, abgewiesene Asylbewerber straffällig werden und Vermögendselikte begehen. Dass die Anonymität der Städte sich dabei eignet, abzutauchen, ist ebenfalls bekannt. Dieser Vorstoss würde also nicht nur den betroffenen Personen, sondern der Stadt Zürich schaden. Aus diesem Grund sprechen sich AL, Grüne, SP, CVP, EVP und GLP der Stadt Zürich im Parlament gegen einen solchen Vorstoss aus. Der Vorstoss von Tamara Lauber und Roger Tognella wäre also kläglich gescheitert.

Nachdem wir im Rat Dringlichkeit für diesen Vorstoss beantragt hatten, lobte Tamara Lauber unser Vorgehen öffentlich und schrieb auf Facebook „schön, dass die SP auch endlich erkannt hat, dass Handlungsbedarf besteht. Ich freue mich auf die Debatte im Rat.“ Weiter begrüsste sie „den Sinneswandel der SP“ und „den Antrag der SP“.

Gestern Abend war es dann soweit. Das Parlament der Stadt Zürich musste darüber abstimmen, ob der Vorstoss für dringlich erklärt wird. Und siehe da, die FDP, deren Vertreterinnen und Vertreter von einem „Notstand“ im Asylwesen sprechen und einen Vorstoss nach dem anderen gegen Asylbewerber einereichen (für die sie normalerweise Dringlichkeit beantragen), stimmte nicht für Dringlichkeit. Der sichtlich wütende Roger Tognella gab sich verzweifelt Mühe, diese Inkonsequenz zu begründen und meinte, dass die FDP mit diesem Vorstoss nur eine Diskussion habe lancieren wollen. Eine Diskussion, die nun in der nationalrätlichen Kommission geführt worden sei. Nur leider bringt Herr Tognella auch da -einmal mehr- die Fakten durcheinander. Der Nationalrat hat über diesen Vorschlag bereits befunden, bevor die FDP im Gemeinderat Zürich ihren Vorstoss eingereicht hat, was ihm SP-Fraktionschefin Min Li Martin auch umgehend erklärte. Die Diskussion in der Schweiz war also da geführt worden. Sie hatte nichts, aber auch gar nichts mit dem Vorstoss von Tamara Lauber und Roger Tognella zu tun. Im Gegenteil, die beiden sind nur auf den Zug aufgesprungen, wohl in der Hoffnung, etwas von der medialen Aufmerksamkeit auf sich lenken zu können. Somit hätte die FDP also nur noch eine Diskussion über diesen Vorschlag im Gemeinderat lancieren können. Nun, die Diskussion dazu hätten wir im Rat führen können, lieber Herr Tognella, ihr habt sie verhindert. Die Gelegenheit eine Diskussion zu führen wollte die FDP also nicht ergreifen. Wo war nun plötzlich die „Freude“ einer Tamara Lauber (die sonst so stolz darauf ist, keine Wischi-Waschi Politik zu betreiben) an der Debatte? Mit diesem Verhalten bewies die FDP, dass sie Angst vor ihrem eigenen Vorstoss hat. Sie hat Angst vor der Diskussion. Sie weiss genau, dass ihr Vorstoss in Zürich keine Chance hat, eben weil eine Mehrheit des Parlaments weiss, dass er schädlich für die Stadt Zürich wäre. Dennoch, wenn Politikerinnen und Politiker hinter einem Vorstoss stehen und ihn einreichen, sollte man meinen, sie würden ihren Vorstoss verteidigen, sich dafür einsetzen und die Diskussion darüber führen wollen. Nicht so die FDP. Dies ist nicht nur eine Blamage sondergleichen, es entlarvt ihren Vorstoss als einen weiteren kläglichen Versuch, inhaltslose Schaufenster-Politik für die Medien zu betreiben. Oder wie es mein guter Freund und Parteikollege Lucas Tschan treffend formuliert „Politics by Helicoptering: Auftauchen, viel Staub aufwirbeln, nichts konstruktives beitragen und wieder verschwinden.“

Auch die SVP, die sich für kein Asyl- und Ausländerbashing zu schade ist und aufgrund den uns „überrollenden Asylbewerbern“ die Apokalypse wittert, stimmte gegen Dringlichkeit. Auch hier, plötzlich hatte man Angst vor der Diskussion. Dies weil eine Ablehnung des Vorstosses „ein fatales Signal nach Bern senden würde“ (Zitat Mauro Tuena).

Nun, liebe Rechtspopulisten aus der FDP und SVP. Zwei Signale wurden heute klar gesendet: Erstens ist klar, dass die Mehrheit des Zürcher Parlaments (inklusive Mitteparteien) gegen eine Streichung der Sozialhilfe für alle Asylbewerber ist. Und zweitens habt ihr bewiesen, dass ihr Angst vor der Diskussion darüber habt und zu diesem Thema schnell schweigt, wenn euch eine breite Koalition gegenüber steht. Nichts hätte eure Politik mehr entlarven können und das ist gut so.