Am Samstag, dem 8. Juni 2013 ist es wieder soweit.

Wieder werden Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transmenschen und die aufgeschlossenen Heterosexuellen unter dem Motto All Families Matter an einem bunten Demonstrationsumzug für ihre Rechte demonstrieren und danach auf dem Turbinenplatz und an diversen Parties die jährliche Pride feiern. Nun, ein paar Hirnverbrannte werden sicherlich auch dort sein und uns mit netten Flyern zu überzeugen versuchen, dass wir auf dem falschen Weg sind und in der Hölle landen. Aber wenn man bedenkt, dass jedes Ereignis seine Clowns (und damit meine ich nicht die Drag Queens, die sind nämlich cool) hat, ist das nicht weiter verwunderlich.

Braucht es die Pride noch?

Und jedes Jahr wird wieder die Frage gestellt, ob es die Pride überhaupt noch braucht. Wenn wir doch akzeptiert und so gleich behandelt werden wollen, müssen wir dann unsere separate Parade haben? Bringt es überhaupt noch was, für unsere Rechte zu demonstrieren? Schliesslich werden wir ja toleriert und Diskriminierung sind doch kaum noch vorhanden? Die Antwort ist ganz einfach: Und wie es die Pride braucht!

Ja, wir brauchen die Pride, um darauf aufmerksam zu machen, dass es uns gibt, dass wir ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft sind und als solchen rechtlich und gesellschaftlich vollständig und ohne wenn und aber anerkannt werden wollen! Ja, die Toleranz gegenüber Homosexualität hat sich selbstverständlich verbessert. Wir wollen aber nicht toleriert, sondern als vollständigen und gleichwertigen Teil der Gesellschaft akzeptiert werden. Und soweit ist es erst, wenn z.B. zwei Männer keine Angst haben müssen, verprügelt oder beschimpft zu werden, wenn sie sich händchenhaltend in der Öffentlichkeit bewegen. Soweit ist es erst, wenn eine homosexuelle Beziehung als gleichwertig angesehen wird, wie eine heterosexuelle Beziehung und man kein Sondergesetz wie das „Partnerschaftsgesetz“ schafft (also eine „Ehe-light“ für Homosexuelle), statt die Ehe auch für homosexuelle Paare zu öffnen. Soweit ist es erst, wenn wir Kinder adoptieren dürfen. Soweit ist es erst, wenn die Selbstmordrate unter homosexuellen Jugendlichen nicht um ein Vielfaches höher ist, als bei heterosexuellen Jugendlichen. Soweit ist es erst, wenn wir nicht mehr Angst haben müssen, bei der Arbeit oder in der Schule diskriminiert zu werden! Soweit ist es erst, wenn Diskriminierung von LGBTs (Lesbian, Gay, Bisexuals, Trans) als genau gleich verwerflich angesehen wird, wie Rassismus und gesetzlich entsprechend geahndet wird. Soweit ist es erst, wenn die Verfolgung von Homosexuellen und Transmenschen als Asylgrund anerkannt wird (statt den Betroffenen zu raten sich in ihrem Heimatland halt nicht zu outen). Soweit ist es erst, wenn solche oder solche offene Briefe oder solche Blogs nicht mehr notwendig sind. Erst wenn jeder und jedem in diesem Land und auf der Welt bewusst wird, dass Heterosexualität nicht normaler, sondern häufiger ist, erst dann haben wir die vollständige Akzeptanz erreicht.

Es muss also noch einiges getan werden, bis eine Demonstration für unsere Rechte nicht mehr notwendig ist. Dabei sei daran erinnert, dass wir gerade in den letzten Wochen wieder schreckliche Bilder aus nicht allzu fernen Ländern gesehen haben, wo Prides verboten oder die Teilnehmenden attackiert wurden.  Aber selbst wenn die Demonstration für unsere Rechte irgendwann nicht mehr notwendig sein sollte, will ich diese Pride noch haben. Es geht bei der Pride nämlich nicht nur darum, für unsere Rechte zu demonstrieren, sondern auch darum, das Erreichte zu feiern. Wir können feiern, dass Homosexualität (zumindest bei uns) nicht mehr verboten ist. Wir können feiern, dass Homosexualität nicht mehr von der Weltgeshundheitsorganisation als Krankheit angesehen wird (als was sie bis 1992 galt). Und nicht zu vergessen der Ursprung der Pride (die ja eigentlich Christopher Steet Day heisst), als 1969 Homo- und Transmenschen sich in New York gegen Razzien und Verhaftungen durch die Polizei wehrten und sich deswegen tagelange Strassenschlachten mit der Polizei lieferten.

Zerstören die Paradiesvögel unseren Ruf?

Immer wieder hört man, dass die Bilder, die in den Medien über die Pride portiert werden, den „Ruf der Schwulen und Lesben zerstören.“ Immer wieder heisst es, dass die schrillen Drag Queens, die Transvestiten oder die halbnackt tanzenden Männer ein falsches Bild vermitteln und Vorurteile uns gegenüber zementieren würden. Nur schon dieser Gedankengang zeigt, wie wichtig die Pride ist. Wem und warum müssen wir irgendwas beweisen? Wie kommen wir dazu, das Gefühl zu haben, irgendetwas würde Vorurteile gegen uns rechtfertigen? Wie kommen wir dazu, uns nach irgendeinem Muster verhalten zu wollen, in der verzweifelten Hoffnung, dass wir dann gnädigerweise als das akzeptiert werden, was wir sind: genau gleichwertige Menschen wie Heterosexuelle. Egal wie die Leute aussehen oder wie ausgelassen sie tanzen, es darf nicht sein, dass sich irgendjemand darum sorgt, ob Vorurteile gegen uns zementiert werden. Denn Vorurteile sind inakzeptabel. Punkt. Egal ob sie sich gegen den „weiblichen Schwulen“, die „männliche Lesbe“, die „Federboas“ oder die „Paradiesvögel“ richten. Wir sind eine Community und gehören alle unter denselben Regenbogen. Ich will nicht akzeptiert werden, weil ich in Alltagskleidung rumlaufe. Wer mich akzeptiert, soll gefälligst einen Transmenschen oder eine Drag Queen genauso akzeptieren. Akzeptanz gibt es nicht in Sonderpackungen. Entweder man akzeptiert jedes einzelne Mitglied unserer Community oder niemanden. An dieser Stelle sollte vielleicht nochmals in Erinnerung gerufen werde, wie die Pride (also der Christopher Street Day) überhaupt entstanden ist: Es waren genau solche Transvestiten (die jetzt angeblich unseren Ruf zerstören sollen), die sich als erste der Schikane und den Razzien der Polizei widersetzten und an vorderster Front in tagelangen Strassenschlachten für unsere Rechte kämpften. Und überhaupt: Die Street Parade beispielsweise ist auch eine Parade für Liebe, Toleranz und Freiheit. Und auch da gibt es viele verkleidete Leute. Käme es jemals jemandem in den Sinn, zu befürchten, diese Leute würden den Ruf der Heteros zerstören?

Gay by Nature – Proud by Choice

Viel wurde erreicht, aber wir dürfen uns nicht zurücklehnen und einfach nur hoffen, dass weiterhin alles so bleiben wird. Es gibt religiöse Strömungen, die uns bekämpfen wann und wo sie können. Dies haben wir in den letzten Wochen eindrücklich am Beispiel des vermeintlich liberalen Frankreichs gesehen, wo Demonstrationen gegen die Öffnung der Ehe für homosexuelle Menschen zu massiven Ausschreitungen führten und zahlreiche Übergriffe an Schwulen und Lesben vorkamen. Diesen Strömungen müssen wir die Stirn bieten und der Gesellschaft zeigen, dass wir eine andere sexuelle Orientierung (oder Geschlechtsidentität) haben und trotzdem ein gleichwertiger Teil der Gesellschaft darstellen.

Daher lasst uns zeigen, dass wir stolz darauf sind, schwul oder lesbisch zu sein. Und zwar nicht stolz  auf die Tatsache, dass wir schwul oder lesbisch sind (für unsere sexuelle Orientierung können wir nichts, auch wenn ein paar Ewiggestrige das noch immer nicht begriffen haben), sondern stolz darauf, dass wir zu uns stehen können. Stolz darauf, dass wir uns unseren Platz in der Gesellschaft erkämpft haben, trotz massiver Gegenwehr und Hetze konservativer Ewiggestriger. Stolz darauf, dass wir mit unserer Sexualität zufrieden sein können und uns nicht mehr dafür schämen oder gar heilen lassen müssen (obwohl es noch immer religiöse Vereine gibt, die Heilungstherapien anbieten -auch in der Schweiz). Und alle Heterosexuelle, die am Samstag dabei sein werden, können ebenfalls mit Stolz zeigen, dass sie uns als vollständigen und gleichwertigen Teil der Gesellschaft akzeptieren.

Und an all jene, die uns verfluchen oder bemitleiden und uns entweder auf den Mond schiessen oder heilen wollen: Schaut genau hin. Wir sind viele, wir gehen auf die Strassen, wir feiern und wir kämpfen für unsere Rechte! Natürlich werdet ihr nicht aufgeben und weiterhin eure bestenfalls gut gemeinten Heilungsratschläge, schlimmstenfalls eure hasserfüllten Tiraden auf uns loslassen und gegen unsere Rechte kämpfen. Aber ihr werdet scheitern. Diskriminierungen sind ein Auslaufmodell, darum überdenkt doch nochmals eure Prioritäten.

In diesem Sinne: HAPPY PRIDE!

Das Programm der Pride kann hier abgerufen werden.