Bald wird die Steinzeit-Initiative der CVP, die eine konservativen Definition der Ehe und gleichzeitig die Abschaffung von finanziellen Benachteiligungen von Ehepaaren fordert, in die parlamentarische Beratung kommen. Im Vordergrund der Diskussion im Kampf gegen die Initiative steht die Idee eines Gegenvorschlags, der die rückständige, ultrakonservative Ehedefinition der CVP weglässt. Sollte die Intiative gültig sein, ist ein Gegenvorschlag selbstverständlich nötig. Aber ist sie das?

Einheit der Materie – was ist das?

Damit eine Volksinitiative in der Schweiz gültig ist, muss sie die so genannte „Einheit der Materie“ erfüllen. Dies bedeutet, dass Forderungen einer Initiative einen sachlichen Zusammenhang aufweisen müssen. Weiter bedeutet dies, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Möglichkeit haben sollten, ihren politischen Willen unverfälscht abgeben zu können. In seiner Botschaft zur Initiative äussert sich der Bundesrat mit zwei Standardsätzen zu dieser wichtigen Frage.  Auf Seite 4 schreibt er

zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderung an die Einheit der Materie.

Wow –wie überzeugend.

Eine Abstimmung – Zwei Fragen

Man kann sich streiten, ob allenfalls ein gewisser sachlicher Zusammenhang zwischen einer Ehedefinition und den von Eheleuten zu bezahlenden Steuern besteht. Was ist aber mit dem Recht, seine Meinung unverfälscht abgeben zu können? Wenn man nämlich genauer hinsieht, wird deutlich, dass es sich bei dieser Vorlage um zwei Themen handelt.

Der erste Satz legt in der Verfassung eine Definition des Wortes Ehe fest. Eine solche Definition steht noch nirgends in der Verfassung und würde mit dieser Initiative zum allerersten Mal in der Verfassung verankert. Es handelt sich hier also um eine gesellschaftspolitische Frage: Wollen wir in der Verfassung ausdrücklich festhalten, dass die Ehe nur als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau gilt?

Der zweite Teil der Initiative fordert die Abschaffung der steuerlichen (und sozialversicherungsrechtlichen) Benachteiligung von Ehepaaren. Hier handelt es sich um eine finanzpolitische Frage: Wollen wir diese finanziellen Benachteiligungen für Ehepaare abschaffen?

Perfides Dilemma

Wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über diese Initiative abstimmen, müssen sie zwei verschiedene Fragen mit einer einzigen Antwort beantworten. Es ist z.B. nicht möglich, dass ich NEIN zur Definition der Ehe in der Verfassung sagen will, gleichzeitig aber JA zur Abschaffung der finanziellen Benachteiligung für Eheleute stimmen möchte. Man muss sich also entscheiden, was man schwerwiegender findet. Das verunmöglicht nicht nur die unverfälschte politische Willensäusserung, sondern tut dies auch auf eine sehr perfide Art und Weise. Homosexuelle stellen in der Schweiz eine Minderheit dar. Man lockt also die  heterosexuelle Mehrheit mit einer finanzpolitischen Frage, um sie gleichzeitig für ein Anliegen zu gewinnen, das von den betroffenen Minderheiten vehement abgelehnt wird. Im Klartext: Wenn ihr JA stimmt, sorgt ihr dafür, dass homosexuelle Paare per Verfassung von der Ehe ausgeschlossen werden, dafür erhaltet ihr aber finanzielle Vorteile.

Wir alle wissen, dass finanzielle Entlastungen bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürger immer eine grosse Rolle spielt. Die Abschaffung der Heiratsstrafe ist denn auch äusserst populär. Die CVP versucht also bewusst, den Wunsch nach finanzieller Entlastung als Trumpf auszuspielen, um eine  ultrakonservative Ehe-Definition in der Verfassung zu verankern. Das ist zwar geschickt, dafür aber umso perfider.

Missbrauch des Initiativrechts

Würde man diese Initiative für gültig erklären, würde das nicht nur den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern die Möglichkeit nehmen, ihre Meinung unverfälscht zu äussern. Nein, man würde auch zulassen, dass das Initiativrecht dazu missbraucht wird, Mehrheiten gegen Minderheiten auszuspielen. Diese Gefahr besteht zwar bei jeder Initiative, die sich gegen Minderheiten richtet. Aber die Dreistigkeit des Grundsatzes dieser Initiative, nämlich ihr-von-der-Mehrheit-erhält-finanzielle-Vorteile-wenn-ihr-die-Minderheit-schikaniert, ist dann doch nochmals ein anderes Kaliber. Ein Kaliber, das auch im krassen Gegensatz zu dem steht, was in unserer Bundesverfassung zuvorderst zu finden ist nämlich, dass „die Stärke des Volkes sich misst am Wohle der Schwachen“.

Wegweisender Entscheid

Bleibt zu hoffen, dass das Parlament diesem perfiden Spielchen eine deutliche Abfuhr erteilt und die Volksinitiative zumindest teilweise für ungültig erklärt. Damit könnte der erste Satz der Initiative gestrichen werden und nur die finanzpolitische Frage zur Abstimmung gelangen. Sollte es der CVP wirklich nur um die Heiratsstrafe gehen, wird sie gegen dieses Vorgehen nichts einzuwenden haben. Dies wäre nicht nur die sauberere Lösung.  Vielmehr würde damit auch deutlich gezeigt, dass ein solch hinterhältiges Vorgehen nicht akzeptiert wird. Dies würde nicht nur Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen nützen, sondern auch dem politischen Frieden in unserem Land.

 

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