Die Diskussion um diese Initiative nervt mich. Viele Gegner reden vom Untergang des Rechtsstaates und viele Befürworter greifen in eine Populismuskiste, die an Widerwärtigkeit ihresgleichen sucht. Mir wäre es lieber gewesen, wenn das Parlament die Forderung der Initiative ins Gesetz übernommen und uns so einen hässlichen Abstimmungskampf erspart hätte.

Was will die Initiative?

Die Initiative fordert im Kern eine Selbstverständlichkeit. Wenn jemand wegen Sexualdelikten an Kindern (oder Abhängigen) verurteilt wird, soll er ein lebenslängliches Verbot erhalten, um einen Beruf mit Kindern auszuüben. Eine Selbstverständlichkeit, die auch von den allerwenigsten Gegnern der Initiative in Frage gestellt wird.

Wen triffts?

Natürlich hat die Initiative ihre Schwächen. Der Titel „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten“ ist insofern falsch, als dass es nicht Menschen mit pädophiler Veranlagung trifft, so lange sie ihre Neigung nicht ausgelebt haben. Wer also behauptet, die Initiative unterscheide nicht zwischen pädophilen Menschen, die sich nie etwas zu Schulden kommen lassen haben und pädophilen Sexualstraftätern, meint damit den Titel, der aber für die Abstimmungsvorlage völlig irrelevant ist.

Eine weitere Schwäche der Initiative ist tatsächlich, dass sie die so genannte „Jugendliebe“ nicht ausklammert. Wenn also ein z.B. 20-jähriger mit einer unter-16-jährigen ins Bett steigt und angezeigt wird, riskiert er ein lebenslängliches Berufsverbot, sollte die Initiative wortgetreu umgesetzt werden. Der Prozess nach Annahme einer Initiative ist aber immer derselbe: das Parlament muss sie umsetzen. Es liegt also am Parlament, diesen Fall von Jugendliebe bei der Umsetzung auszuschliessen. In der parlamentarischen Debatte war völlig klar, dass niemand möchte, dass die Jugendliebe betroffen ist. Selbst die Initianten sagen deutlich, dass sie den Fall der Jugendliebe nach Annahme der Initiative ausklammern wollen. Es ist also unter keinem Titel ersichtlich, warum man davon ausgeht, dass die Jugendliebe bei Umsetzung der Initiative betroffen sein könnte.

Unverhältnismässig?

Die Gegner argumentieren auch mit der Unverhältnismässigkeit dieser Initiative, weil sie einen Automatismus einführt und das Berufsverbot lebenslänglich ausgesprochen wird. Tatsächlich sind Automatismen im Strafrecht einem Rechtsstaat grundsätzlich unwürdig. Wir reden hier jedoch nicht davon, einen Täter nach Entlassung an einen Pranger zu stellen (obwohl gewisse Rechtspopulisten solche absurden Ideen bereits seit Jahren immer wieder ins Spiel bringen), länger zu bestrafen als nötig oder irgendwelchen Schikanen auszusetzen. Hier geht es um die Ausübung eines Berufs (bzw. ehrenamtliche Tätigkeit) mit Kindern. Der Betroffene kann nach Annahme der Initiative immer noch einen von hunderten anderen Berufen auswählen, in denen er nicht mit Kindern arbeitet. Man kann dies also statt als Strafe als Berufserfordernis sehen. Um Pilot zu werden braucht man beispielsweise auch ein Tauglichkeitszeugnis, das man nur kriegt, wenn man gewisse Sehtests besteht. Wenn eine Person ihr ganzes Leben nicht Pilot werden kann, weil sie nicht über das erforderliche Sehvermögen verfügt, würde kein Mensch von einer unverhältnismässigen Strafe sprechen.

Der Gegenvorschlag

Bundesart und Parlament haben einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der eigentlich gut, richtig und wichtig ist. Er beinhaltet sinnvolle Massnahmen, welche die Initiative übersehen hat (wie z.B. Rayonverbote). Allerdings möchte er kein automatisches lebenslängliches Berufsverbot. Interessant dabei ist, dass die Gegner zwar den Automatismus beim lebenslänglichen Berufsverbot verteufeln, im Gegenvorschlag aber auch einen Automatismus vorgesehen haben (automatisch 10 Jahre Berufsverbot bei Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten). Wenn die Initiative angenommen wird, so tritt der Gegenvorschlag trotzdem in Kraft (mit all seinen sinnvollen Massnahmen), muss aber so angepasst werden, dass das Berufsverbot automatisch lebenslänglich gilt.

Verhältnismässige Einschränkung

Von einem angehenden Kleinkindererzieher oder Lehrer zu verlangen, dass er nie wegen einem Sexualdelikt an Kindern verurteilt wurde, erachte ich als sinnvoll und verhältnismässig. Selbst wenn ein Verurteilter nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Therapie ist und als ungefährlich eingestuft wird, so ist nicht einzusehen, warum man ihn und die Kinder einem Rückfallrisiko aussetzen will, so klein es auch sein mag. Der Betroffene ist weder in seiner Existenz gefährdet (er kann einen von hunderten anderen Berufen ausüben) noch wird er durch irgendwelche öffentlichen Pranger schikaniert (solch absurde Ideen sind zu bekämpfen). Es geht also lediglich darum, dass der Betroffene von hunderten von Berufen ein paar weniger ausüben kann. Dies ist zumutbar und in meinen Augen keineswegs unverhältnismässig, erst recht nicht wenn man die leichte Berufswahleinschränkung dem Risiko einer Rückfallgefahr und damit den Schutz der Kinder gegenüber stellt.

Fazit

Natürlich wird die Initiative nicht alle sexuelle Übergriffe auf Kinder verhindern. Selbstverständlich ist längst belegt, dass die meisten sexuellen Übergriffe vom familiären Umfeld ausgehen. Aber die Initiative kann einen Teil dazu beitragen, um Kinder zu schützen. Und auch wenn dadurch nur ganz wenige Übergriffe verhindern werden können, hat sich die Initiative bereits gelohnt, zumal sie etwas sinnvolles will und dabei trotz Schönheitsfehlern keine unverhältnismässigen Massnahmen mit sich bringt.

Darum stimme ich  JA zu dieser Initiative!