28 08, 2014

Zentrale Ausnüchterungsstelle schafft Ratshürde

2019-02-18T10:04:43+01:0028. August 2014|

An der Sitzung vom 27. August 2014 stimmte eine knappe Mehrheit des Gemeinderats der Stadt Zürich mit 59 zu 56 Stimmen dem definitiven Betrieb der Zentralen Ausnüchterungsstelle (ZAB) zu.

Zuvor hatten sich der Berufsverband für Pflegefachkräfte, der Verein der Zürcher Spitalärztinnen und Spitalärzte sowie der Polizeibeamtenverband vehement für die Vorlage ausgesprochen. In der ZAB werden Betrunkene Personen, die sich oder andere gefährden, unter medizinischer Überwachung ausgenüchtert. Dafür werden ihnen moderate Gebühren für die verursachten Sicherheitskosten von maximal 600.- in Rechnung gestellt. Ohne die ZAB müssten die Betrunkenen entweder in die Quartierwachen der Polizei oder in die Notfälle der Spitäler eingeliefert werden.

Die Polizei ist medizinisch nicht ausgebildet, um Ausnüchterungen durchzuführen, weswegen dies ein grosses Haftungs-Risiko für die Stadt und die Polizei bedeutet und auch ein Risiko für die betroffene Person darstellt.

Umgekehrt kommt es in Notfällen der Spitäler immer wieder zu Übergriffen seitens randalierender Betrunkener auf das Gesundheitspersonal, was teilweise Verletzungen des Pflege- und Ärztepersonals zur Folge haben kann. Ausserdem können in dieser Zeit andere Patientinnen und Patienten in den Notfällen nicht behandelt werden.

Die ZAB entlastet also das Gesundheitspersonal, die Polizei, Spitalpatientinnen und -patienten sowie die öffentliche Sicherheit und muss darum unbedingt fortgeführt werden. Das knappe JA kam aufgrund einer Koalition der Vernunft zwischen SP, GLP und einer Mehrheit der Grünen zusammen. Unverbesserliche Ideologien prägten das Stimmverhalten von AL, CVP, FDP und SVP. Die AL stellt sich grundsätzlich gegen die ZAB und verlangt, dass keine Gebühren bezahlt werden sollten. Die CVP, FDP und SVP verlangen volle Kostenüberwälzung (also 1’200.- Gebühren), was jedoch dem Verhältnismässigkeitsprinzip widersprechen würde und zu massiv höherem Betreibungsaufwand sowie wesentlich mehr (wahrscheinlich erfolgreichen) Rechtsverfahren gegen die Stadt führen dürfte. Als Kompromiss konnten sich die SP, GLP und die Grünen auf eine moderate Gebühr von maximal 600.- einigen. So muss die betroffene Person einen Teil der verursachten Kosten begleichen, gleichzeitig wird das Verhältnismässigkeitsprinzip gewahrt und die ZAB damit nicht gefährdet.

Das Zürcher Stimmvolk wird Ende November über den definitiven Weiterbetrieb der ZAB abstimmen und ich rufe alle auf, JA zu dieser wichtigen Institution zu stimmen.

Fraktionserklärung der SP zur ZAB.

Votum in der Schlussabstimmung.

Blog von Petek Altinay zur ZAB.

Artikel NZZ.

Artikel Tages-Anzeiger.

23 04, 2014

Warum ich JA zum Berufsverbot stimme

2014-04-23T11:34:43+02:0023. April 2014|

Die Diskussion um diese Initiative nervt mich. Viele Gegner reden vom Untergang des Rechtsstaates und viele Befürworter greifen in eine Populismuskiste, die an Widerwärtigkeit ihresgleichen sucht. Mir wäre es lieber gewesen, wenn das Parlament die Forderung der Initiative ins Gesetz übernommen und uns so einen hässlichen Abstimmungskampf erspart hätte.

Was will die Initiative?

Die Initiative fordert im Kern eine Selbstverständlichkeit. Wenn jemand wegen Sexualdelikten an Kindern (oder Abhängigen) verurteilt wird, soll er ein lebenslängliches Verbot erhalten, um einen Beruf mit Kindern auszuüben. Eine Selbstverständlichkeit, die auch von den allerwenigsten Gegnern der Initiative in Frage gestellt wird.

Wen triffts?

Natürlich hat die Initiative ihre Schwächen. Der Titel „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten“ ist insofern falsch, als dass es nicht Menschen mit pädophiler Veranlagung trifft, so lange sie ihre Neigung nicht ausgelebt haben. Wer also behauptet, die Initiative unterscheide nicht zwischen pädophilen Menschen, die sich nie etwas zu Schulden kommen lassen haben und pädophilen Sexualstraftätern, meint damit den Titel, der aber für die Abstimmungsvorlage völlig irrelevant ist.

Eine weitere Schwäche der Initiative ist tatsächlich, dass sie die so genannte „Jugendliebe“ nicht ausklammert. Wenn also ein z.B. 20-jähriger mit einer unter-16-jährigen ins Bett steigt und angezeigt wird, riskiert er ein lebenslängliches Berufsverbot, sollte die Initiative wortgetreu umgesetzt werden. Der Prozess nach Annahme einer Initiative ist aber immer derselbe: das Parlament muss sie umsetzen. Es liegt also am Parlament, diesen Fall von Jugendliebe bei der Umsetzung auszuschliessen. In der parlamentarischen Debatte war völlig klar, dass niemand möchte, dass die Jugendliebe betroffen ist. Selbst die Initianten sagen deutlich, dass sie den Fall der Jugendliebe nach Annahme der Initiative ausklammern wollen. Es ist also unter keinem Titel ersichtlich, warum man davon ausgeht, dass die Jugendliebe bei Umsetzung der Initiative betroffen sein könnte.

Unverhältnismässig?

Die Gegner argumentieren auch mit der Unverhältnismässigkeit dieser Initiative, weil sie einen Automatismus einführt und das Berufsverbot lebenslänglich ausgesprochen wird. Tatsächlich sind Automatismen im Strafrecht einem Rechtsstaat grundsätzlich unwürdig. Wir reden hier jedoch nicht davon, einen Täter nach Entlassung an einen Pranger zu stellen (obwohl gewisse Rechtspopulisten solche absurden Ideen bereits seit Jahren immer wieder ins Spiel bringen), länger zu bestrafen als nötig oder irgendwelchen Schikanen auszusetzen. Hier geht es um die Ausübung eines Berufs (bzw. ehrenamtliche Tätigkeit) mit Kindern. Der Betroffene kann nach Annahme der Initiative immer noch einen von hunderten anderen Berufen auswählen, in denen er nicht mit Kindern arbeitet. Man kann dies also statt als Strafe als Berufserfordernis sehen. Um Pilot zu werden braucht man beispielsweise auch ein Tauglichkeitszeugnis, das man nur kriegt, wenn man gewisse Sehtests besteht. Wenn eine Person ihr ganzes Leben nicht Pilot werden kann, weil sie nicht über das erforderliche Sehvermögen verfügt, würde kein Mensch von einer unverhältnismässigen Strafe sprechen.

Der Gegenvorschlag

Bundesart und Parlament haben einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der eigentlich gut, richtig und wichtig ist. Er beinhaltet sinnvolle Massnahmen, welche die Initiative übersehen hat (wie z.B. Rayonverbote). Allerdings möchte er kein automatisches lebenslängliches Berufsverbot. Interessant dabei ist, dass die Gegner zwar den Automatismus beim lebenslänglichen Berufsverbot verteufeln, im Gegenvorschlag aber auch einen Automatismus vorgesehen haben (automatisch 10 Jahre Berufsverbot bei Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten). Wenn die Initiative angenommen wird, so tritt der Gegenvorschlag trotzdem in Kraft (mit all seinen sinnvollen Massnahmen), muss aber so angepasst werden, dass das Berufsverbot automatisch lebenslänglich gilt.

Verhältnismässige Einschränkung

Von einem angehenden Kleinkindererzieher oder Lehrer zu verlangen, dass er nie wegen einem Sexualdelikt an Kindern verurteilt wurde, erachte ich als sinnvoll und verhältnismässig. Selbst wenn ein Verurteilter nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Therapie ist und als ungefährlich eingestuft wird, so ist nicht einzusehen, warum man ihn und die Kinder einem Rückfallrisiko aussetzen will, so klein es auch sein mag. Der Betroffene ist weder in seiner Existenz gefährdet (er kann einen von hunderten anderen Berufen ausüben) noch wird er durch irgendwelche öffentlichen Pranger schikaniert (solch absurde Ideen sind zu bekämpfen). Es geht also lediglich darum, dass der Betroffene von hunderten von Berufen ein paar weniger ausüben kann. Dies ist zumutbar und in meinen Augen keineswegs unverhältnismässig, erst recht nicht wenn man die leichte Berufswahleinschränkung dem Risiko einer Rückfallgefahr und damit den Schutz der Kinder gegenüber stellt.

Fazit

Natürlich wird die Initiative nicht alle sexuelle Übergriffe auf Kinder verhindern. Selbstverständlich ist längst belegt, dass die meisten sexuellen Übergriffe vom familiären Umfeld ausgehen. Aber die Initiative kann einen Teil dazu beitragen, um Kinder zu schützen. Und auch wenn dadurch nur ganz wenige Übergriffe verhindern werden können, hat sich die Initiative bereits gelohnt, zumal sie etwas sinnvolles will und dabei trotz Schönheitsfehlern keine unverhältnismässigen Massnahmen mit sich bringt.

Darum stimme ich  JA zu dieser Initiative!

19 12, 2013

Ehedefinition: Warum die CVP Argumente Unsinn sind

2016-02-07T15:01:22+01:0019. Dezember 2013|

Nachdem der Bundesrat die Steinzeit-Initiative der CVP zur Annahme empfohlen hat, fühlt sich die Partei, die das C ihres Parteinahmen wieder entdeckt hat, im Aufwind. Offensiver denn je werben sie für die Initiative und behaupten dabei ungeniert Unsinn, um dem Volk Sand in die Augen zu streuen. Höchste Zeit also, um ihre vier Hauptargumente unter die Lupe zu nehmen.

Behauptung 1: Definition bereits heute in der Verfassung

Die CVP schreibt auf der Webseite der Initiative:

„Schwulen- und Lesbenorganisationen stören sich daran, dass die Definition der Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau erstmals in der Verfassung verankert wird. Doch: die Definition ist bereits heute darin verankert.“

Dies hat die Aargauer CVP-Grossrätin Marianne Binder auch anlässlich einer Radiodiskussion auf Radio SRF 1 gesagt. Auf die Frage angesprochen, wo diese Definition denn bereits in der Verfassung stünde, antwortete sie mit „in Artikel 14“ (Minute 13:18 der Diskussion).

Nun, schauen wir uns also Artikel 14 der Bundesverfassung an. Dort steht

„Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet.“

Artikel 14 enthält also keine Definition der Ehe. Genauso wenig wie irgend ein anderer Artikel in der Verfassung. Die Behauptung, dass eine Definition, welche die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau festlegt, bereits heute in der Verfassung verankert ist, ist also falsch.

Behauptung 2: Ehedefinition in der Verfassung ändert nichts  

Weil die CVP weiss, dass die Ehedefinition nirgends in der Verfassung verankert wurde, versucht sie auf die Botschaft des Bundesrats und die heutige Gesetzeslage zu verweisen. Die CVP schreibt weiter auf ihrer Webseite:

„Bei der Abstimmung über die neue Bundesverfassung wurde die Ehe […] von Bundesrat, Parlament und Volk ausdrücklich im traditionellen Sinne interpretiert und festgelegt. Nachzulesen ist dies in der Botschaft des Bundesrates zur neuen Bundesverfassung vom 20. November 1996 auf den Seiten 154 und 155.“

Stimmt, die Ehe wurde damals, also vor 17 (!) Jahren als Verbindung zwischen Mann und Frau verstanden. Dennoch haben es Bundesrat und Parlament unterlassen, diese Definition in die Verfassung zu schreiben. Dies bedeutet, dass das Parlament heute entscheiden könnte, die Ehe gegenüber homosexuellen Paaren zu öffnen. Dafür müsste man lediglich Anpassungen auf gesetzlicher Stufe vornehmen. Die Verfassung würde dies dem Parlament nicht verbieten. Würde die Ehedefinition in der Verfassung verankert, könnte das Parlament die Ehe für homosexuelle Paare nicht mehr öffnen.

2.1 Trend zur Eheöffnung

Dass der Trend in diese Richtung geht, zeigen immer mehr Länder. Seit 1996 öffneten bereits 17 Länder die Ehe für homosexuelle Paare. Das erste Land war im Jahr 2001 die Niederlande. Und dieses Jahr hat England beschlossen, dass das zurzeit existierende Partnerschaftsgesetz für homosexuelle Paare nicht länger gut genug sei, weswegen das Land die Ehe für homosexuelle Paare ab 2014 öffnen wird. Dazu kommen zahlreiche Teilstaaten, z.B. in den USA oder in Mexiko.

Im US-Bundesstaat Kalifornien haben Gerichte die mittels Volksabstimmung in der Verfassung verankerte Definition der Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau in den letzten Jahren durch alle Instanzen für ungültig erklärt.

Das Beispiel USA ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich das Eheverständnis auch in einem tendenziell konservativen Land wandeln kann. Nachdem noch vor ein paar Jahren kaum eine Politikerin oder ein Politiker es gewagt hätte, die Eheöffnung für Homosexuelle zu befürworten, steht mittlerweile eine Mehrheit des Volkes sowie der amtierende Präsident hinter der Eheöffnung. Sogar die ultrakonservativen Republikaner, die jahrelang immer wieder versuchten, die amerikanische Bundesverfassung mit genau jener Ehedefinition zu ergänzen, die jetzt die CVP in der Schweiz verankern will, haben ihren Kampf in der Zwischenzeit praktisch aufgegeben.

2.2 Stiller Verfassungswandel möglich

Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis dieser Wandel des Ehebegriffs auch in der Schweiz Realität wird. Juristen und Professoren sprechen hier von einem „stillen Verfassungswandel“, also dass die Ehe auch gegenüber homosexuellen Paaren geöffnet werden kann, ohne dass eine Änderung der Verfassung nötig wäre. Die Definition der CVP würde diesen stillen Verfassungswandel jedoch verunmöglichen.

Dieser Meinung sind sowohl namhafte Professoren als auch das Eidgenössische Justiz und Polizeidepartement.

2.3 Was sagen Professoren?

Die CVP beruft sich zur Stütze ihrer Argumentation gerne auf Prof. Bernhard Ehrenzeller, Professor für Öffentliches Recht der Universität St. Gallen und Direktor am Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis. Aber was sagt dieser Kronzeuge der CVP zu ihrer Argumentation? Gegenüber dem Tagesanzeiger liess er sich in einem Artikel zur Thematik folgendermassen zitieren:

Man kann nie ausschliessen, dass der Verfassungsbegriff der Ehe in Zukunft aufgrund einer dynamischen Auslegung offener verstanden wird, sich also auch auf andere Lebensgemeinschaften beziehen könnte. Mit der Umschreibung des Ehebegriffs in der Bundesverfassung werden einer solchen Weiterentwicklung des Rechts klare Grenzen gesetzt.

Uuups, liebe CVP.

2.4 Was sagt das EJPD?

Und auch das Bundesamt für Justiz, also die höchste juristische Instanz des Bundesrats widerspricht der CVP Argumentation. So enthüllte das Mannschaft-Magazin, zusammen mit Anton Kohler, dass das Bundesamt für Justiz wegen dieser Definition die ganze Initiative hätte ablehnen wollen. Das Bundesamt für Justiz schrieb denn auch

„[…]dass in Zukunft ein sog. stiller Verfassungswandel stattfinden könnte, der es bei gleichbleibendem Wortlaut erlauben würde, auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften zur Ehe zuzulassen […] Würde die Initiative angenommen, wäre ein solcher stiller Verfassungswandel nicht mehr möglich. Ohne einer allfälligen künftigen Entwicklung vorgreifen zu wollen erscheint es im vorliegenden Kontext verfehlt, diese wichtige gesellschaftspolitische Frage sozusagen en passant mitzuentscheiden und explizit in der Verfassung zu verankern.“

Nochmals uuups, liebe CVP.

2.5 Bundesrat krebste zurück

Auch wenn die Stellungnahme des EJPD den Bundesrat nicht zum Umdenken bewegte, so schien sie bei ihm trotzdem auf Gehör zu stossen. Denn ursprünglich wollte der Bundesrat in seiner Botschaft auf die Diskussion rund um die Ehedefinition eingehen. Im Botschaftsentwurf wollte er unter Punkt 3.2.3 darauf hinweisen, dass er an der traditionellen Ehedefinition festhalten möchte. Das EJPD schrieb, dass diese „Äusserungen ersatzlos zu streichen“ seien. Es schrieb weiter:

„Der Bundesrat legt sich hier fest, ohne dass aufgrund des Kontexts dazu tatsächlich eine Notwendigkeit besteht. Es handelt sich hier um ideologische Ausführungen, die nichts mit der im vorliegenden relevanten Fragen zu tun haben. Zwar ist es richtig, dass sich der Bundesrat in der Vergangenheit entsprechend geäussert hat. Betrachtet man aber die gesellschaftspolitischen Entwicklungen im In- und Ausland, ist die Bedeutung solcher Äusserungen aus der Vergangenheit zu relativieren.“ Dies schien den Bundesrat zu überzeugen. In der definitiven Botschaft ist zur Ehedefintion nichts mehr zu lesen. Dies beweist, dass auch dem Gesamtbundesrat bewusst geworden sein muss, dass ein Wandel der Ehedefinition durchaus möglich wäre.

Und nochmals: Uuups, liebe CVP.

Behauptung 3: Wenn Ehe geöffnet werden soll, muss Verfassung geändert werden

Die CVP behauptet aufgrund ihrer (oben widerlegten) Argumentation, dass eine Verfassungsänderung nötig ist, wenn die Ehe homosexuellen Paaren gegenüber geöffnet werden soll. Nun, wie genau soll das denn gehen? Sollen wir eine Initiative zur Änderung der Botschaft von 1996 lancieren? Schliesslich ist dies das einzige Dokument, auf das sich die CVP ihrer Argumentation berufen kann – in der Verfassung steht keine Definition. Da die Ehe in der Verfassung nirgends definiert wird, ist es überhaupt nicht nötig, dass wir eine Initiative einreichen, um die Ehe gegenüber homosexuellen Paaren zu öffnen. Wie oben dargelegt, könnte dies leidglich auf Gesetzesstufe gemacht werden. Diese Behauptung ist also nichts weiter als eine Nebelpetarde, um das Volk zu verwirren.

Behauptung 4: Definition ist nötig zur Abschaffung der Heiratsstrafe

Die CVP schreibt auf ihrer Webseite

„Man muss die Ehe umschreiben, wenn man die Diskriminierung der Ehe abschaffen will.“

Aha. Stimmt, ohne Definition wüsste man nicht, was unter Ehe verstanden wird. Der Bundesrat, das Parlament und das Volk wären in Chaos versunken beim Versuch herauszufinden, was die geheimnisvollen Worte „Ehe“, „Eheleute“ oder „Ehepaare“ zu bedeuten hat. Die CVP hat die Schweiz vor einem riesigen Chaos bewahrt, wie nett von ihnen.

Dass diese Behauptung absurd ist, wird nur schon klar, wenn man die Behauptungen 1, 2 und 3 der CVP bedenkt. Da stellt sich die Partei auf den Standpunkt, dass die Definition schon in der Verfassung verankert sei bzw. in der Botschaft des Bundesrates von 1996 bzw. dass die Öffnung der Ehe gegenüber homosexuellen Paaren eine Verfassungsänderung bedinge. Aber eben, um finanzpolitische Nachteile von Eheleuten abzuschaffen, ist eine Ehedefinition nötig. Diese Behauptung steht in solch komplettem Widerspruch zu den restlichen Behauptungen, dass man sich geradezu fremdschämen muss, wenn man sie liest.

Und falls dies noch immer nicht überzeugend genug war, lassen wir doch den Kronzeugen der CVP, Professor Ehrenzeller zu Wort kommen. Gegenüber dem Tagesanzeiger meinte er im oben zitierten Artikel auch:

„Die Definition der Ehe hätte man in der Familieninitiative auch offen lassen können. Zumindest verfassungsrechtlich war das keine Notwendigkeit. Aber das ist ein politischer Entscheid und damit das Recht der Initianten.“

Und einmal mehr: Uuups, liebe CVP.

Fazit

Die Argumentation der CVP, warum die Ehedefinition für das finanzpolitische Anliegen dieser Initiative nötig ist, entbehrt jeder Grundlage. Die Behauptungen scheinen auf den ersten (und sehr flüchtigen) Blick logisch, auf den zweiten Blick entpuppen sie sich aber als kompletter Unsinn. Eine Verankerung dieser ultrakonservativen Ehedefinition würde die Schweizer Verfassung zu einer der rückständigsten Verfassungen von ganz Europa machen und damit völlig quer in der Landschaft stehen. Was jedoch weitaus schlimmer ist; sie würde unmissverständlich klar stellen, dass unsere Verfassung homosexuelle Partnerschaften nicht als gleichwertig wie heterosexuelle Partnerschaften betrachtet und deswegen nicht zur Ehe zugelassen werden darf. Eine solche Diskriminierung ist unserer Verfassung nicht würdig.

Es ist deswegen komplett falsch, wenn die Gerhard Pfisters, Christophe Darbellays und andere Vertreter dieser Partei gegenüber den Medien treuherzig versprechen, bei dieser Initiative ginge es nicht um die Ehedefinition, sondern rein um die Abschaffung der Heiratsstrafe. Wer sich mit der Vorlage befasst hat, weiss es besser. Und jene, welche die Beteuerungen wirklich glaubten, sollten es spätestens ab jetzt nicht mehr tun.

21 11, 2013

Warum die CVP Initiative für (teil)ungültig zu erklären ist

2013-11-21T01:12:26+01:0021. November 2013|

Bald wird die Steinzeit-Initiative der CVP, die eine konservativen Definition der Ehe und gleichzeitig die Abschaffung von finanziellen Benachteiligungen von Ehepaaren fordert, in die parlamentarische Beratung kommen. Im Vordergrund der Diskussion im Kampf gegen die Initiative steht die Idee eines Gegenvorschlags, der die rückständige, ultrakonservative Ehedefinition der CVP weglässt. Sollte die Intiative gültig sein, ist ein Gegenvorschlag selbstverständlich nötig. Aber ist sie das?

Einheit der Materie – was ist das?

Damit eine Volksinitiative in der Schweiz gültig ist, muss sie die so genannte „Einheit der Materie“ erfüllen. Dies bedeutet, dass Forderungen einer Initiative einen sachlichen Zusammenhang aufweisen müssen. Weiter bedeutet dies, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Möglichkeit haben sollten, ihren politischen Willen unverfälscht abgeben zu können. In seiner Botschaft zur Initiative äussert sich der Bundesrat mit zwei Standardsätzen zu dieser wichtigen Frage.  Auf Seite 4 schreibt er

zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderung an die Einheit der Materie.

Wow –wie überzeugend.

Eine Abstimmung – Zwei Fragen

Man kann sich streiten, ob allenfalls ein gewisser sachlicher Zusammenhang zwischen einer Ehedefinition und den von Eheleuten zu bezahlenden Steuern besteht. Was ist aber mit dem Recht, seine Meinung unverfälscht abgeben zu können? Wenn man nämlich genauer hinsieht, wird deutlich, dass es sich bei dieser Vorlage um zwei Themen handelt.

Der erste Satz legt in der Verfassung eine Definition des Wortes Ehe fest. Eine solche Definition steht noch nirgends in der Verfassung und würde mit dieser Initiative zum allerersten Mal in der Verfassung verankert. Es handelt sich hier also um eine gesellschaftspolitische Frage: Wollen wir in der Verfassung ausdrücklich festhalten, dass die Ehe nur als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau gilt?

Der zweite Teil der Initiative fordert die Abschaffung der steuerlichen (und sozialversicherungsrechtlichen) Benachteiligung von Ehepaaren. Hier handelt es sich um eine finanzpolitische Frage: Wollen wir diese finanziellen Benachteiligungen für Ehepaare abschaffen?

Perfides Dilemma

Wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über diese Initiative abstimmen, müssen sie zwei verschiedene Fragen mit einer einzigen Antwort beantworten. Es ist z.B. nicht möglich, dass ich NEIN zur Definition der Ehe in der Verfassung sagen will, gleichzeitig aber JA zur Abschaffung der finanziellen Benachteiligung für Eheleute stimmen möchte. Man muss sich also entscheiden, was man schwerwiegender findet. Das verunmöglicht nicht nur die unverfälschte politische Willensäusserung, sondern tut dies auch auf eine sehr perfide Art und Weise. Homosexuelle stellen in der Schweiz eine Minderheit dar. Man lockt also die  heterosexuelle Mehrheit mit einer finanzpolitischen Frage, um sie gleichzeitig für ein Anliegen zu gewinnen, das von den betroffenen Minderheiten vehement abgelehnt wird. Im Klartext: Wenn ihr JA stimmt, sorgt ihr dafür, dass homosexuelle Paare per Verfassung von der Ehe ausgeschlossen werden, dafür erhaltet ihr aber finanzielle Vorteile.

Wir alle wissen, dass finanzielle Entlastungen bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürger immer eine grosse Rolle spielt. Die Abschaffung der Heiratsstrafe ist denn auch äusserst populär. Die CVP versucht also bewusst, den Wunsch nach finanzieller Entlastung als Trumpf auszuspielen, um eine  ultrakonservative Ehe-Definition in der Verfassung zu verankern. Das ist zwar geschickt, dafür aber umso perfider.

Missbrauch des Initiativrechts

Würde man diese Initiative für gültig erklären, würde das nicht nur den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern die Möglichkeit nehmen, ihre Meinung unverfälscht zu äussern. Nein, man würde auch zulassen, dass das Initiativrecht dazu missbraucht wird, Mehrheiten gegen Minderheiten auszuspielen. Diese Gefahr besteht zwar bei jeder Initiative, die sich gegen Minderheiten richtet. Aber die Dreistigkeit des Grundsatzes dieser Initiative, nämlich ihr-von-der-Mehrheit-erhält-finanzielle-Vorteile-wenn-ihr-die-Minderheit-schikaniert, ist dann doch nochmals ein anderes Kaliber. Ein Kaliber, das auch im krassen Gegensatz zu dem steht, was in unserer Bundesverfassung zuvorderst zu finden ist nämlich, dass „die Stärke des Volkes sich misst am Wohle der Schwachen“.

Wegweisender Entscheid

Bleibt zu hoffen, dass das Parlament diesem perfiden Spielchen eine deutliche Abfuhr erteilt und die Volksinitiative zumindest teilweise für ungültig erklärt. Damit könnte der erste Satz der Initiative gestrichen werden und nur die finanzpolitische Frage zur Abstimmung gelangen. Sollte es der CVP wirklich nur um die Heiratsstrafe gehen, wird sie gegen dieses Vorgehen nichts einzuwenden haben. Dies wäre nicht nur die sauberere Lösung.  Vielmehr würde damit auch deutlich gezeigt, dass ein solch hinterhältiges Vorgehen nicht akzeptiert wird. Dies würde nicht nur Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen nützen, sondern auch dem politischen Frieden in unserem Land.

 

Erster Blog zum Thema unter diesem Link.

4 09, 2013

Tankstellenshops: Pragmatik statt Unsinn

2019-02-18T10:04:44+01:004. September 2013|

Um es vorweg zu nehmen – aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes bin auch ich dagegen, dass alle Läden rund um die Uhr geöffnet haben dürfen. So habe ich denn auch vor einem Jahr mit Überzeugung gegen die „Kunde ist König“-Initiative der FDP Kanton Zürich gestimmt, die eine vollständige Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten gefordert hätte.

Genauso überzeugt werde ich allerdings am 22. September 2013 JA zu der pragmatischen und sanften Realitätsanpassung des Arbeitsgesetzes stimmen.

Bedürfnis ausgewiesen
Heute ist es so, dass Tankstellen und von Tankstellen betriebene Bistrots rund um die Uhr ohne Bewilligung offen haben dürfen. Dazugehörige Shops dürfen täglich bis 1:00 Uhr nachts und am Sonntag geöffnet sein. Zwischen 1:00 und 5:00 Uhr müssen diese Shops nach heutigem Gesetz geschlossen werden.

Das SECO anerkennt zwar, dass Tankstellenshops nachts von vielen Kundinnen und Kunden aufgesucht werden, die aus Berufsleuten (z.B. Polizisten, Schichtarbeitende oder Taxifahrerinnen) und Menschen bestehen, die sich auf dem Heimweg von einem Kinobesuch oder einer Party befinden. Trotzdem erachtet es das SECO aber nicht für nötig, dass diese Shops um diese Zeit offen haben dürfen, zumal eine Schliessung der Shops „nicht von einen Grossteil der Bevölkerung als wesentlicher Mangel empfunden würde.“ Aha.

Dies führt also zur absurden Situation, dass Tankstellenbetreiber Personal die ganze Nacht durch zwar beschäftigen dürfen, dieses aber nur einen Teil des Sortiments in der Tankstelle verkaufen darf. In der ganzen Schweiz sind aktuell 24 Tankstellen (9 an Autobahnraststätten und 5 an Hauptverkehrswegen im Kanton Zürich) davon betroffen.

Moderate Anpassung
Um diese Sortimentsbeschränkung zu beheben, haben Bundesrat und Parlament beschlossen, die entsprechende Gesetzesbestimmung moderat aufzulockern. Während die FDP wollte, dass alle Tankstellenshops an Hauptverkehrsstrassen in der Nacht geöffnet sein dürfen, einigte sich das Parlament auf eine restriktivere Version. Gemäss dieser Version dürfen Tankstellenshops in der Nacht nur geöffnet sein (bzw. Personal beschäftigen), wenn sich diese an Autobahnraststätten oder an „Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr“ befinden. Das Sortiment muss weiterhin in erster Linie auf die Bedürfnisse von Reisenden ausgerichtet sein. Dies führt allerdings nicht dazu, dass alle Tankstellenshops, die diese Kriterien erfüllen automatisch in der Nacht Personal beschäftigen können. Die fraglichen Tankstellenshops müssen sich nämlich auch dann noch an die von den jeweiligen Kantonen bestimmten  Ladenöffnungszeiten halten.

Keine Verschlechterung von Arbeitsbedingungen
Um nur das geht es – und um nichts anderes in dieser Vorlage. Unter dem völlig unzutreffenden Namen „Sonntagsallianz“ warnen die Gegner vor mehr Sonntags- und Nachtarbeit sowie vor einem „24-Stunden-Arbeitstag“. Zumindest bei dieser Vorlage sind diese Befürchtungen kompletter Unsinn. Sonntagsarbeit ist heute bereits in den entsprechenden Shops erlaubt. Damit ändert sich weder bei einem JA noch bei einem NEIN auch nur das geringste. Der Name „Sonntagsallianz“ kann also nicht unpassender sein. An den Arbeitszeiten des Personals ändert sich in diesen 24 Shops auch nichts. Schliesslich werden die Arbeitszeiten mit dieser Vorlage nicht verlängert (das Arbeitsgesetz sieht strenge Bestimmungen für Nachtarbeit vor), sondern führen lediglich dazu, dass das Personal um 1:00 Uhr nicht einen Teil des Sortiments mühsam abdecken, wegsperren oder mit Ketten abschliessen muss. Die Bestrebungen von Bürgerlichen Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr zuzulassen haben denn auch nichts mit dieser Vorlage zu tun und können in allfälligen späteren Abstimmungen auch dann vom Volk abgelehnt werden, wenn man dieser Vorlage zustimmt.

Anmassende Bevormundung
Man kann der Meinung sein, dass es nicht nötig ist, um 1:00 Uhr morgens eine Tiefkühlpizza, eine Bratwurst oder einen Cremedessert zu kaufen. Es ist jedoch ziemlich anmassend, mündigen Menschen vorzuschreiben, was sie zwischen 1:00 und 5:00 Uhr in der Nacht in einer ohnehin geöffneten Tankstelle an Lebensmitteln kaufen dürfen. Es geht schliesslich niemanden etwas an, ob die Polizistin auf ihrem Heimweg lieber eine Tiefkühlpizza mit nach Hause nimmt und dort aufwärmt oder ob ein Krankenpfleger Spaghetti und Tomatensaucen kaufen möchte, um sie zu Hause noch zu kochen. Dies soll nicht dazu führen, dass sämtliche Läden rund um die Uhr geöffnet haben sollen, aber wenn eine Tankstelle schon offen ist und Personal beschäftigt, soll die Kundschaft auch selber entscheiden dürfen, was sie im entsprechenden Shop an Produkten kauft.

Kampf muss Arbeitsbedingungen gelten
Es ist wichtig, dass sich die Politik stark für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen. Dies muss aber über gute Arbeitsbedingungen geschehen. Dies kann von höheren Löhnen bis hin zu strengeren Ruhezeiten im Arbeitsgesetz gehen. Dem Personal ist aber überhaupt nicht gedient, wenn es zwar in der Nacht in einer Tankstelle hinter der Theke stehen und Hot Dogs verkaufen darf, der Kundschaft aber gleichzeitig erklären muss, warum sie keine Tiefkühlprodukte oder gekühlte Cremedesserts kaufen darf.

Bei dieser Vorlage geht es um eine moderate Anpassung des Arbeitsgesetzes, welche die Rechte der Arbeitnehmenden nicht verschlechtert, sondern lediglich eine unsinnige Sortimentsbeschränkung aufhebt. Betroffen davon wären schweizweit lediglich 24 Tankstellen. Wer am 22. September 2013 JA zu dieser Vorlage stimmt, kann später noch immer NEIN zu weiteren Liberalisierungen der Ladenöffnungszeiten stimmen. Wer JA sagt, stimmt nicht für schlechtere Arbeitsbedingungen des Verkaufspersonals, sondern gegen unsinnige Sortimentsbeschränkung, die dem Personal nichts nützt und die Kundschaft bevormundet. Deswegen stimme ich am 22. September 2013 pragmatisch JA zu dieser Vorlage und werde in Zukunft weiterhin NEIN zu vollständigen Liberalisierungsbestrebungen von Bürgerlichen stimmen.

3 05, 2013

Asylgesetzrevision: Es trifft die Falschen

2019-02-18T10:04:44+01:003. Mai 2013|

„Missbrauch stoppen“ prangerte auf sämtlichen Plakatwänden der Schweiz, als das Stimmvolk 2006 über die vom damaligen Bundesrat Blocher aufgegleiste Revision des Asylgesetzes abstimmte. Bürgerliche Parteien sprachen angesichts der Verschärfungen davon, dass man gerade noch soweit gehen könne und diese Verschärfungen nötig wären, um den Missbrauch zu stoppen. Das Volk stimmte zu, wer will schon keinen Missbrauch stoppen?

Am 9. Juni 2013 stimmen wir erneut über Verschärfungen im Asylgesetz ab. Und wieder verspricht man, Missbrauch im Asylwesen stoppen zu können. Und wieder handelt es sich dabei um falsche Versprechen. Nur diesmal sind die Verschärfungen besonders perfid. Denn sie treffen gezielt richtige Flüchtlinge und besonders schutzbedürftige Personen, wie Frauen und Kinder. Konkrete Massnahmen gegen Missbrauch im Asylwesen findet man in der aktuellen Verschärfung kaum. Die Befürworter argumentieren denn auch damit, dass man die Schweiz einfach „unattraktiver“ für Asylsuchende machen wolle. Diese Aussage stimmt. Nur blendet sie aus, für wen die Schweiz unattrakiver werden soll: für echte Flüchtlinge!

Unnötige Panikmache

Es ist ein Fakt, dass die Asylgesuche nach den Revolutionen in Afrika und den andauernden Konflikten im Nahen Osten in die Höhe geschnellt sind. Viele der Asylgesuche werden von Wirtschaftsflüchtlingen gestellt, also von Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben in die Schweiz kommen. Diese haben keinen Anspruch auf Asyl. Und wenn mehr Wirtschaftsflüchtlinge in unser Land kommen und kein Asyl erhalten, steigt die Anzahl „Asylsuchender“ in der Kriminalitätsstatistik auch an (zurzeit bei 9%). Auch das ist längst bekannt (und in ganz Europa der Fall), wird durch die Verschärfungen in diesem Asylgesetz aber nicht verhindert.

Bei der ganzen Panikmache sollte aber etwas nicht vergessen werden: Die Schweiz wird nicht überschwemmt. Im Jahre 2012 wurden in der Schweiz 28’631 Asylgesuche gestellt. Dies ist mehr als in den Vorjahren, aber deutlich weniger Asylgesuche als in den Jahren 1998 (42’979) und 1999 (47’513). Die Zahl der Asylgesuche schwankt laufend, was ja auch völlig logisch ist. Entstehen grössere Konflikte, flüchten mehr Menschen. In politisch stabileren Zeiten, flüchten weniger Menschen. Das war immer so und wird immer so bleiben. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass 80% aller Menschen in Entwicklungsländer flüchten und beispielsweise im Libyenkonflikt nur 2% der Flüchtlinge nach Europa geflüchtet sind. Und 2012 machten Asylsuchende 0,5% der Schweizer Bevölkerung aus (Quellen: Factsteet von Amnesty International, siehe auch die Amnesty-Kampagne „Schluss mit Panikmache“).

Abschaffung Botschaftsasyl

Die gravierendste Verschärfung betrifft die Abschaffung des Botschaftsasyls. Bisher konnten Menschen auf Schweizer Botschaften ein „Asylgesuch“ stellen, wenn sie glaubhaft machen konnten, dass sie verfolgt wurden. Die Botschaft prüfte das Gesuch und erteilte nur eine Einreisebewilligung in die Schweiz, wenn die Gründe glaubhaft erschienen. In der Schweiz prüften die Behörden erneut, ob Asylgründe vorliegen. Von allen Menschen, die über diesen Weg in die Schweiz eingereist sind, durften 96% hier bleiben. Damit rettete die Schweiz in den letzten 30 Jahren 2’572 Menschenleben (mehr dazu unter diesem Link). Das Botschaftsverfahren erwies sich somit als ideal, um „echte“ von „unechten“ Flüchtlingen zu trennen und verfolgten Menschen Schutz zu gewähren. Nicht einmal der damalige Justizminister Blocher (der sich ja immer damit rühmt, überall die Schraube im Asylwesen angezogen zu haben) hat bei seinen Verschärfungen das Botschaftsasyl angetastet.

Der Bundesrat und seine Nachplappler behauptet zwar, der dafür geschaffene Ersatz, das „humanitäre Visum“ würde diesen Menschen weiterhin eine Möglichkeit bieten, via Botschaft in die Schweiz zu flüchten. Dies ist aber keinesfalls ein gleichwertiger Ersatz, zumal die Hürden wesentlich höher sind, dieses Visa noch seltener als das ohnehin schon seltene „Botschaftsgesuch“ gewährt wird und nur im Heimatland einer Person gestellt werden kann. Und dass dieses humanitäre Visa offenbar nicht einmal bei akut Bedrohten, wie z.B. einer syrischen Frau und ihren Kindern gewährt wird, sieht man bereits heute. Der Bundesrat und die Befürworter begründen die Abschaffung des Botschaftsverfahrens ja gerade damit, dass sie einen Ansturm auf Schweizer Botschaften im Ausland verhindern wollen. Würde das humanitäre Visum also einen gleichwertigen Ersatz wie das Botschaftsverfahren bieten, würde dieser Ansturm (der gar nicht besteht), weiterhin bestehen. Die Argumentation, das humanitäre Visum sei ein gleichwertiger Ersatz für verfolgte Menschen, ist darum nicht nur falsch, sondern auch völlig unlogisch.

Auch beim Botschaftsverfahren sollte man die Fakten betrachten: Seit 1980 wurden 46’369 Gesuche auf Schweizer Botschaften gestellt. In über 30 Jahren wurden also weltweit auf Schweizer Botschaften weniger Asylgesuche gestellt, wie in den in den letzten zwei Jahren in der Schweiz. Wer also davon spricht, dass die Botschaften überrannt werden, behauptet kompletten Unsinn.

Die Abschaffung des Botschaftsverfahrens verschliesst besonders schutzbedürftigen Personen wie Frauen und Kinder die Möglichkeit auf sicherem Weg zu flüchten. Man treibt sie somit geradezu in die Arme von gefährlichen Schleppern und setzt sie so der Gefahr von Vergewaltigung und Misshandlung aus. Die UNHCR (das Flüchtlingskommissariat der UNO) hat die Schweiz für diese Verschärfung heftig kritisiert. Die Einzigen, die sich ab diesem Entscheid freuen werden, sind die Schlepperbanden, deren grausames Businessmodell dank diesem Entscheid lukrativer geworden ist.

Eigentlich wäre diese Attacke auf besonders Schutzbedürftige also Grund genug, um Nein zu stimmen. Aber die Verschärfungen gehen weiter.

Unerwünschte Militärverweigerer

Das Asylgesetz sieht weiter vor, Militärdienstverweigerer grundsätzlich kein Asyl mehr zu gewähren. Diese Reglung betrifft vor allem Asylsuchende aus Eritrea. In Eritrea herrscht eine grausame Diktatur, die Frauen und Männer zu Militärdienst zwingt. Wer dies verweigert, wird oftmals gefoltert oder mit dem Tode bestraft. Aus diesem Grund haben Militärdienstverweigerer aus Eritrea in der Schweiz dann Chancen Asyl zu erhalten, wenn sie aufgrund dieser Weigerung verfolgt werden. Das Parlament und der Bundesrat geben sogar zu, dass diese Menschen auch in Zukunft auch nicht nach Eritrea zurück geschickt werden können und sich für die Betroffenen, kaum etwas ändere. Aha – dann hat man also eine sinnlose Verschärfung einfach so zum Spass ins Asylgesetz geschrieben? Nicht ganz – man erhofft sich so ein fatales Signal an verfolgte Menschen in Eritrea auszusenden: Dass sie als Flüchtlinge in der Schweiz nicht länger willkommen sind. Man weiss, was für grausame Zustände in Eritrea herrschen. Man weiss, mit welcher Willkür Menschen gefoltert und inhaftiert werden und dass Eritreer darum in der Schweiz gute Chancen auf Asyl hatten. Und dennoch sagt man: Euch wollen wir nicht, kommt also gar nicht erst her. Was soll das? Wer sowas befürwortet, hat entweder den ganzen Sinn und Zweck des Asylwesens nicht verstanden oder will bewusst gar keinen verfolgten Menschen mehr Schutz gewähren.

Bundeskompetenz für Asylzentren

Eine weitere Änderung des Asylgesetzes besteht darin, dass neu der Bund alleine darüber entscheiden kann, wo Asylzentren entstehen und zwar ohne Bewilligung des betroffenen Kantons oder der Gemeinde. Diese können sich nicht mehr dagegen wehren, wenn ein Asylzentrum bei ihnen errichtet wird. In der föderalistischen Schweiz, wo das Volk und die Gemeinden normalerweise mitbestimmen können, was bei ihnen geschieht, ist dies doch sehr merkwürdig. Merkwürdig ist vor allem, dass die SVP, die sonst den Widerstand gegen jedes Asylzentrum anführt, damit einverstanden ist. Die SVP, die die Volksrechte hoch hält und stets zu Protest gegen Asylzentren aufruft, unterstützt also gerade, dass die Bevölkerung keinen Einfluss mehr auf den Standort von Asylzentren nehmen kann? Es ist an Heuchelei nicht zu überbieten, wenn die SVP Stadt Zürich, sich darüber beklagt, dass „kein Referendum“ gegen dieses Zentrum möglich ist und zu Protesten ufruft, dem Volk aber genau die Möglichkeit genommen hat, um wirkungsvoll dagegen etwas unternehmen zu können (obwohl ich sicher bin, dass das Sadtzürcher Stimmvolk dem Zentrum zustimmen würde). Und auch wenn diese Kompetenzverschiebung nicht nur unsinnig ist, so zeigen erste Beispiele, dass sie wohl keine sehr gute Idee war. Beispiele wie jenes von  Bedretto, wo ein Asylzentrum unter Protest der Gemeinde in Zonen mit akuter Lawinengefahr geplant wird. Und auch wenn ich das Misstrauen gegen Asylsuchende nicht teile, so strapaziert man den Goodwill der Bevölkerung doch sehr, wenn man 120 Asylsuchende in eine Gemeinde mit 70 Einwohnern unterbringen will.

Nutzlose Verbesserungen

Weil die Befürworter wissen, dass diese Verschärfungen nicht zu erklären sind, verstecken sie sich hinter Verbesserungen, die mit dieser Asylgesetzverschärfung kommen sollen. So wird beteuert, dass der Rechtsschutz für Asylsuchende ausgebaut, Beschäftigungsprogramme geschaffen und die Verfahren beschleunigt würden. Nur: Verfahren kann man auch ohne diese radikalen Verschärfungen beschleunigen und die nächste Revision, die bereits ansteht, widmet sich ja gerade dieser Beschleunigung. Warum also nicht all die Verbesserungen da rein packen? Was nützt ein ausgebauter Rechtsschutz wenn gerade echte Flüchtlinge nicht mehr herkommen können? Was nützen ein paar Verbesserungen, wenn der Preis dafür massive Verschlechterungen sind, obwohl dies gar nicht nötig wär? Oder anders gefragt: Würde die SVP einem Gesetz zustimmen, das zwar 15 neue Kampfjets für die Schweiz vorsieht, gleichzeitig aber die Armee abschafft? Würde die FDP einem Gesetz zustimmen, welches das Bankgeheimnis verstärkt, gleichzeitig aber alle Banken zu einer einheitlichen Staatsbank verschmiltzt? Würde die CVP einem Gesetz zustimmen, das die Abschaffung der Heiratsstrafe vorsieht, gleichzeitig aber die maximale Anzahl erlaubter Ehen pro Jahr auf 10 beschränkt? Würden die Grünliberalen einem Gesetz zustimmen, welches die Mehrwertsteuer durch eine Energiesteuer ersetzt (wie sie es fordern), gleichzeitig aber 20 neue Atomkraftwerke vorsieht?

Der Schweiz unwürdig

Die Schweiz schmückt sich gerne mit ihrer „humanitären Tradition“. Ein Asylgesetz das auf echte Flüchtlinge zielt, hat aber nichts mehr mit humanitär zu tun. Ein Asylgesetz, das Frauen und Kinder grössten Gefahren aussetzt, hat nichts mehr mit humanitär zu tun. Ein Asylgesetz, das echten Flüchtlingen sagt, sie seien nicht erwünscht, hat nichts mehr mit humanitär zu tun. Mit diesem Asylgesetz wird kein einziger Missbrauch verhindert. Wenn uns die zahlreichen Asylgesetzverschärfungen etwas gelehrt haben, dann das: scharfe Asylgesetze führen nicht dazu, dass weniger Asylsuchende in unser Land wollen. Denn egal wie scharf unsere Gesetze sind, als wohlhabendes, politisch stabiles und neutrales Land wird die Schweiz immer attraktiv für Asylsuchende („echte“ und „unechte“) sein. Die Asylgesetzverschärfungen, über die wir am 9. Juni 2013 abstimmen müssen, führen also nur dazu, dass weniger wirklich verfolgte Menschen Schutz kriegen.

Die Gewinner dieses Asylgesetzes sind Diktatoren und Schlepper. Die Verlierer sind Menschen, die von Tod, Vergewaltigung und Folter bedroht sind.

Wer das nicht will, stimmt am 9. Juni 2013 Nein zu diesem verfehlten Asylgesetz. 

PS: An alle Zürcherinnen und Zürcher: macht mit bei der Kampagne 10’000 für Zürich.

PPS: An alle anderen: macht hier mit, um das Asylgesetz zu bekämpfen.

Nach oben