3 05, 2018

Ein offener Brief an Daniel Regli

2019-02-18T10:04:43+01:003. Mai 2018|

Hallo Daniel

An der Gemeinderatssitzung vom 18. April 2018 hatten wir zum letzten Mal die zweifelhafte Ehre, dich im Gemeinderat zu erleben. Natürlich hast du diese Sitzung erneut dafür missbraucht, um zu deinem Lieblingsthema Homosexualität zu referieren.

Mit deinen erneuten, provokativen Aussagen gegen Homosexuelle hast du auf eine Reaktion gehofft – ich glaube, insbesondere von mir, so wie du mich während deines überlangen Votums dauernd angestarrt hast. Wissend, dass es deine letzte Gemeinderatssitzung ist, wollte ich dir keine Reaktion geben und ignorierte deine absurden Aussagen. Offensichtlich hat dir das keine Ruhe gelassen – wie das Thema Homosexualität dir seit Jahren keine Ruhe zu lassen scheint.

Denn am 28. April 2018 hast du mir eine Email geschrieben, in welcher du mit Studien deine absurde Aussage vom Dezember 2017 belegen möchtest, dass Homosexuelle inkontinent seien und sich deswegen häufiger das Leben nehmen. Du berufst dich dabei auf einen Arzt und auf einen «ehemaligen Homosexuellen» (lol).

Und hast auch gleich ein paar Links und Studien an deine E-Mail angehängt – ich glaube, um deinen absurden Aussagen irgendwie Legitimation zu verschaffen. Dabei hast du auch noch gleich die Schweizer Medienlandschaft, die Zürcher Politik und die Fachstelle Lust und Frust in deine E-Mail kopiert.

Offenes Mail an: Schweizer Medien, Zürcher Stadtrat, Gemeinderat, Fachstelle Lust & Frust

Sali Alan

Nun kann ich endlich zurückkommen auf mein vielgehasstes Votum zum Thema Inkontinenz und Suizidalität promisker Homosexueller im Rahmen der Budgetdebatte im Dezember 2017. Es wurde damals in der Ratsdebatte eine Entschuldigung gefordert. Nun möchte ich fragen, für was ich mich entschuldigen soll? Habe ich etwas Unwahres gesagt?

Ich wäre schön blöd, würde ich so brisante Fakten öffentlich verkünden, wenn ich dafür keine Quellen hätte. Bei meinem Votum stützte ich mich auf Aussagen eines Arztes und eines ehemaligen Homosexuellen. Nach der Ratsdebatte habe ich von Ärzten etliche weitere Angaben erhalten, deren Links ich Dir untenstehend zusende. Ebenfalls findest Du zwei Studien als Attachement.

Anstatt sich auf eine inhaltliche Diskussion einzulassen, haben Mitglieder des Gemeinderats und die Medien mich angeklagt und verspottet. Ich hätte „menschenverachtend“ über Schwule gesprochen und es sei „absurd“, was ich gesagt habe. Das ist natürlich ein fieses Ablenkungsmanöver, um sich nicht mit den Fakten befassen zu müssen. Dass auf den Mann, statt auf den Ball gespielt wurde, finde ich sehr bedauerlich. Wer so vorgeht, fügt sich selber und seinem „familiären“ Umfeld beträchtlichen Schaden zu.

Nach wie vor bin ich bereit, das Thema inhaltlich zu diskutieren. Wenn ich Fakten erhalte, die meine Aussagen widerlegen, bin ich gerne bereit, mich zu entschuldigen.

Zum Schluss möchte ich nochmals erinnern an die zentrale Aussage meines Votums: unsere Kinder in den Zürcher Schulen werden durch die städtische Fachstelle ‚Lust & Frust‘ mit der gendermissionarischen Ideologie verstört, verführt und geschädigt. Diese fatale Praxis muss unter allen Umständen gestoppt werden!

Freundlichen Gruss und gute Wünsche für Deine Lebensführung, die sich hoffentlich nicht der Postfaktizität verschrieben hat.

Daniel Regli

___________

http://www.gaymed.at/startseite_gaymed/vorwort/tabuthema-po/

https://www.hilferuf.de/forum/gesundheit/184148-schmerzen-und-inkontinenz-nach-analverkehr.html

https://www.focus.de/gesundheit/praxistipps/so-riskant-ist-analverkehr-analsex-das-muessen-sie-beachten_id_7561840.html

https://www.vice.com/de_ch/article/ex74mz/verursacht-analsex-langzeitschaeden

www.kup.at/search?query=Analverkehr

Bei religiösen Fanatikern ist es immer so eine Sache mit dem Antworten. Einerseits lechzt ihr nach Aufmerksamkeit, weswegen jede Reaktion nur hilft, euer Ziel zu erreichen. Andererseits dürfen eure Ergüsse eben nicht immer unwidersprochen bleiben, gerade weil es noch viel zu viele Menschen gibt, welche Mühe mit ihrer sexuellen Orientierung haben und durch euch Fanatiker zusätzlich verunsichert werden.

Daher ein paar Punkte, bevor du hoffentlich mitsamt deiner Bibel in der Versenkung verschwindest.

1. Inkontinenz und Suizidalität

Mal ernsthaft, nur schon während ich diese Überschrift tippe, muss ich laut lachen. Wir kennen das doch alle. Wenn jemand etwas so Absurdes sagt, dass man einfach nur laut lachen muss. Anyway, du sendest mir zwar all diese Links zu angeblicher Inkontinenz von Menschen, die Analsex haben, sowie zu Studien bezüglich erhöhter Suizidalität von Homosexuellen. Ich habe mir die Links angeschaut und muss feststellen: Der Einzige, der eine Verbindung zwischen diesen zwei Themen herstellt, bist du.

Die erhöhte Suizidrate bei Homosexuellen ist aber tatsächlich ein ernstzunehmendes Problem. Dazu gibt es mehrere Studien, eine hast du mir sogar in deiner E-Mail gesendet. Interessant an den Studienergebnissen ist jedoch Folgendes: Die erhöhte Suizidgefahr ist häufig auf Diskriminierung zurückzuführen, welche homosexuelle Menschen immer wieder erleben. «Internalisierte Homophobie» ist ebenfalls ein gewichtiger Faktor und wird auch in der Studie genannt, die du mir geschickt hast. Internalisierte Homophobie geschieht beispielsweise, wenn ein Kind dauernd gesagt bekommt, dass Homosexualität falsch und schlecht sei. So wie du es beispielsweise dauernd predigst. Umso wichtiger ist es, dass es Fachstellen wie die von dir so gehasste Fachstelle Lust und Frust gibt, welche schädigenden Predigten wie deinen entgegenwirken. Hättest du etwas mehr als den Titel der Studie gelesen, die du mir gesendet hast, würdest du wissen, dass die Autoren auf Seite 35 bei ihren Schlussfolgerungen schulische Aufklärung als Prävention gegen Suizidalität empfehlen:

«Außerhalb des klinischen Settings bietet sich vor allem die Schule als Ort für Prävention an. „MindMatters“, ein schulisches Gesundheitsförderungsprogramm, beinhaltet ein eigenes Modul zum Thema sexuelle Orientierung und ist ein hervorragendes Beispiel, wie dies realisiert werden kann.»

Womit wir eigentlich wieder beim Thema amüsant wären. Du schickst mir eine Studie, um deine absurde These zu untermauern, merkst aber nicht, dass dir die Studie komplett widerspricht. Man nennt das wohl den Fanatismus-Filter.

Wenn man wirklich etwas gegen die erhöhte Suizidrate Homosexueller unternehmen möchte, dann braucht es Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung (ja, ich habe das Wort gleich dreimal wiederholt, einerseits um die Wichtigkeit zu unterstreichen, andererseits aber auch, weil ich weiss, wie sehr dir ein kalter Schauer über den Rücken läuft, wenn du dieses böse Wort liest).

Darum ernsthaft: Menschen mit deinem Gedankengut tragen einen wesentlichen Teil dazu bei, dass homosexuelle Menschen diskriminiert werden, hinterfragen, wo es nichts zu hinterfragen gibt und deswegen depressiv oder gar suizidal werden.

2. Einigkeit der Kulturen zur Homosexualität

Dass du Homosexualität als psychische Störung betrachtest, hast du auch an der Gemeinderatssitzung vom 18. April 2018 wieder zum Ausdruck gebracht. So hast du gesagt, dass Homosexualität über Jahrtausende als psychische Störung betrachtet worden wäre. Auch heute noch sei sich die Mehrheit der Kulturen einig, dass Homosexualität eine psychische Störung darstelle.

Mittlerweile ist hinlänglich bekannt, dass Homosexualität schon immer und überall in der Welt vorkam, akzeptiert und gelebt wurde. So kam Homosexualität in der Antike vor, bei den Griechen, bei den Römern, in Afrika (in Zimbabwe alleine wurde bei 48 Stämmen homosexuelles Verhalten festgestellt), im alten China, usw.

Und weisst du, bis wann Homosexualität okay war? Bis Fanatiker wie du mit ihren heiligen Büchern in der einen Hand und dem Schwert in der anderen diese Länder kolonialisierten oder durch verschiedene Gesetze verboten. Das ist etwa so, wie wenn du ein schönes, grosses Haus abfackelst und danach allen sagst, dass man in den Ruinen nicht leben kann. Natürlich wird man dir zustimmen, dass man in den Ruinen nicht mehr leben kann, nur wäre ein friedliches, zufriedenes Wohnen im Haus möglich gewesen, hättest du und deine Clique es nicht abgefackelt.

Und weisst du, wo Homosexualität immer vorkam, weiterhin vorkommt und von niemandem verboten wurde? Im Tierreich. In über 1’500 Spezies wurde Homosexualität festgestellt.

Die einzige Spezies, die Homosexualität verboten hat, ist der Mensch. Und weswegen? Wegen ein paar angeblich heiligen Büchern.

So, wir wissen also, dass Homosexualität in jeder Zeitepoche weltweit sowohl beim Menschen wie auch im Tierreich vorkam. Und doch sollten wir Homosexualität als unnatürlich bezeichnen, weil das von einem Buch behauptet wird, in welchem Schlangen mit Menschen sprechen, ein Typ mit einem Stock das Meer in zwei Hälften teilt und ein anderer Wasser zu Wein zaubert?

Versteh mich nicht falsch, ich finde es völlig in Ordnung, wenn du ein Fanboy dieses Buches bist – ich bin ja auch ein Fanboy von Superheldencomics. Aber nur weil in den Comics die gelbe Farbe die grösste Schwäche meines Lieblingssuperhelden, Green Lantern, darstellt, möchte ich jetzt auch nicht gerade ein Gesetz zum Verbot des Gebrauchs der gelben Farbe erlassen.

Wir alle haben unsere Superhelden. Du hast Jesus, ich habe die Superhelden des DC- und Marvel-Universums. Zugegeben, Jesus ist schon cool – nicht nur weil er Wasser zu Wein zaubern konnte (wie geil wäre diese Superheldenkraft bitteschön). Denn er kümmert sich nicht nur um die Armen (ganz im Gegensatz zu deiner Partei), sondern verbrachte seine Freizeit mit 12 Typen und einer Prostituierten und wurde von einem Typen geküsst, der ihn hinterging– womit er eigentlich viel mehr Gemeinsamkeiten mit mir und vielen meiner schwulen Freunde hatte als mit dir.

Darum: Lassen wir die sprechenden Schlangen und die böse gelbe Farbe in unseren Büchern, und lass uns nicht anderen Menschen das Leben schwer machen, deal?

3. Homophobie und Homosexualität

Was mir immer wieder auffällt: Du schmeisst mit Zitaten, Zeitungsartikeln und Studien (die du offenbar gar nicht verstehst, wie wir vorher bemerkt haben) um dich, blendest aber eine in der Zwischenzeit ebenfalls mehrfach belegte Tatsache aus: Gemäss mehrerer Studien fühlen sich homophobe Menschen oftmals von Homosexualität angezogen.

So ist es denn auch nicht weiter erstaunlich, dass in den USA bei mehreren ultrahomophoben Politikern und Predigern auskam, dass sie selbst was mit Männern hatten. Mein Favorit ist ja Georg Rekers, der Gründer des homophoben Family Research Council, welches auch immer wieder homofeindliche Pseudostudien (oder haarsträubende Interpretationen von Studien) herausgibt, auf die sich Fundis wie du berufen. Georg Reekers wurde mit einem Escort Boy erwischt, welchen er über die Webseite rentboy gebucht hatte. Natürlich habe Rekers ihn nur gebucht, damit er ihm beim Tragen seiner Koffer helfen konnte, wie er sagte.

Eine Top 16 solcher Typen findest du hier.

Ich weiss nicht, warum du dich derart intensiv mit dem Thema Homosexualität befasst. Ich weiss nicht, warum du dir so viele Gedanken zu den Sexualpraktiken von Schwulen machst und gemäss deiner E-Mail auch noch mit Ärzten und «ehemaligen Homosexuellen» darüber redest. Und ich weiss auch nicht, warum du mir nun auch noch nach deinem überfälligen Abschied aus dem Gemeinderat einen offenen Brief mit mehreren Links zum Thema Analsex nachschickst.

Aber was auch immer der Grund für deine Faszination ist (wofür es natürlich viele Gründe geben kann), sei nicht zu stolz, Hilfe anzunehmen! Ich weiss, du hasst Beratungsstellen, aber vielleicht wäre es tatsächlich gut, wenn du dir das Angebot der einen oder anderen Beratungsstelle näher anschauen würdest. Viele Beratungsstellen bieten auch anonyme Beratungen an! Du musst auch keine Angst haben, als verlogen zu gelten. Christliche Werte zu predigen, während du einer Partei angehörst, welche Flüchtlinge (Jesus war ein Flüchtlingskind) und Arme dauernd schikaniert, ist da wesentlich verlogener als das Aufsuchen einer Beratungsstelle. Denn, wenn ein Thema einen zu sehr beschäftigt und einen einfach nicht loslässt, ist es wohl besser, sich diesem Thema und den Gründen dafür zu stellen – dem eigenen Seelenheil zuliebe!

Ich wünsche dir daher für dein Seelenheil, dass du irgendwann bereit sein wirst, der Ursache für deine Obsession auf den Grund zu gehen. Aber bis dahin, sei doch so gut und schweig bitte einfach zu diesem Thema – dem Seelenheil vieler anderen Menschen zu Liebe!

Mit regenbogenfarbenen Grüssen

Alan

 

12 05, 2014

Für eine liberale Werdinsel

2014-05-12T19:02:57+02:0012. Mai 2014|

Ein Vorstoss von meiner Gemeinderatskollegin Gabriela Rothenfluh und mir fordert, dass der FKK-Bereich der Werdinsel als solcher gekennzeichnet wird. Damit wollen wir sicher stellen, dass die bis heute gut funktionierende Durchmischung von nackten Menschen und solchen, die Badehosen tragen, am Südspitz der Werdinsel beibehalten wird.

Durch eine Beschilderung „verirren“ sich keine Personen mehr an den Südspitz, die sich vom Anblick nackter Menschen gestört fühlen könnten.

Ein Verbot des Nacktbadens, wie dies auch per Petition gefordert wird, ist entschieden abzulehnen. Immerhin handelt es sich beim Südspitz um einen kleinen Bereich der Werdinsel, der seit Jahren entsprechend genutzt wird. Familien, die sich durch Nackte gestört fühlen, können auch weiterhin den überwiegenden Grossteil der Werdinsel beanspruchen (wie z.B. die Badi).

Mehr dazu:

Vorstoss im Gemeinderat.

Artikel des Tages-Anzeigers.

6 01, 2014

Gemeinderatswahlen: Sicherheit und Gleichstellung

2019-02-18T10:04:43+01:006. Januar 2014|

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Ihre Sicherheit liegt uns am Herzen. Alan David Sangines (Polizei- und Verkehrkommission des Gemeinderates, Zürich 9) und Petrik Thomann (Stadtpolizist, Zürich 4 + 5) setzen sich dafür ein, dass Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transmenschen sich zu jeder Zeit sicher in der Stadt bewegen können. Auch in der Stadt Zürich kommt es immer wieder zu homo- und transphob motivierter Gewalt. Dagegen ist entschlossen vorzugehen. Darum ist es wichtig, dass Polizistinnen und Polizisten gut auf das Thema Homosexualität und Transgender sensibilisiert werden, um ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Staatsgewalt und der Community herzustellen oder zu erhalten. Wir bekämpfen jegliche Form von Diskriminierung. Zu einer diskriminierungsfreien Gesellschaft gehört auch die Entstigmatisierung von HIV-Positiven, die heute noch stark unter gesellschaftlicher Ächtung leiden.

Als Vorstandsmitglieder des Zurich Pride Festivals setzen wir uns für eine wirkungsvolle Demonstration in der Zürcher Innenstadt für bedingungslose Gleichstellung ein. Eine starke Demonstration ist nötig, um die Sichtbarkeit von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen zu erhöhen und unseren Anliegen Gehör zu verschaffen.

Unsere Vision ist eine offene Gesellschaft, in der Menschen jeglicher Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Genderidentity, Alter und Gesundheit diskriminierungsfrei und sicher leben können. Mit Ihrer Stimme können wir uns im Gemeinderat dafür einsetzen.

www.sangines.ch
twitter.com/pady_thomann

19 12, 2013

Ehedefinition: Warum die CVP Argumente Unsinn sind

2016-02-07T15:01:22+01:0019. Dezember 2013|

Nachdem der Bundesrat die Steinzeit-Initiative der CVP zur Annahme empfohlen hat, fühlt sich die Partei, die das C ihres Parteinahmen wieder entdeckt hat, im Aufwind. Offensiver denn je werben sie für die Initiative und behaupten dabei ungeniert Unsinn, um dem Volk Sand in die Augen zu streuen. Höchste Zeit also, um ihre vier Hauptargumente unter die Lupe zu nehmen.

Behauptung 1: Definition bereits heute in der Verfassung

Die CVP schreibt auf der Webseite der Initiative:

„Schwulen- und Lesbenorganisationen stören sich daran, dass die Definition der Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau erstmals in der Verfassung verankert wird. Doch: die Definition ist bereits heute darin verankert.“

Dies hat die Aargauer CVP-Grossrätin Marianne Binder auch anlässlich einer Radiodiskussion auf Radio SRF 1 gesagt. Auf die Frage angesprochen, wo diese Definition denn bereits in der Verfassung stünde, antwortete sie mit „in Artikel 14“ (Minute 13:18 der Diskussion).

Nun, schauen wir uns also Artikel 14 der Bundesverfassung an. Dort steht

„Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet.“

Artikel 14 enthält also keine Definition der Ehe. Genauso wenig wie irgend ein anderer Artikel in der Verfassung. Die Behauptung, dass eine Definition, welche die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau festlegt, bereits heute in der Verfassung verankert ist, ist also falsch.

Behauptung 2: Ehedefinition in der Verfassung ändert nichts  

Weil die CVP weiss, dass die Ehedefinition nirgends in der Verfassung verankert wurde, versucht sie auf die Botschaft des Bundesrats und die heutige Gesetzeslage zu verweisen. Die CVP schreibt weiter auf ihrer Webseite:

„Bei der Abstimmung über die neue Bundesverfassung wurde die Ehe […] von Bundesrat, Parlament und Volk ausdrücklich im traditionellen Sinne interpretiert und festgelegt. Nachzulesen ist dies in der Botschaft des Bundesrates zur neuen Bundesverfassung vom 20. November 1996 auf den Seiten 154 und 155.“

Stimmt, die Ehe wurde damals, also vor 17 (!) Jahren als Verbindung zwischen Mann und Frau verstanden. Dennoch haben es Bundesrat und Parlament unterlassen, diese Definition in die Verfassung zu schreiben. Dies bedeutet, dass das Parlament heute entscheiden könnte, die Ehe gegenüber homosexuellen Paaren zu öffnen. Dafür müsste man lediglich Anpassungen auf gesetzlicher Stufe vornehmen. Die Verfassung würde dies dem Parlament nicht verbieten. Würde die Ehedefinition in der Verfassung verankert, könnte das Parlament die Ehe für homosexuelle Paare nicht mehr öffnen.

2.1 Trend zur Eheöffnung

Dass der Trend in diese Richtung geht, zeigen immer mehr Länder. Seit 1996 öffneten bereits 17 Länder die Ehe für homosexuelle Paare. Das erste Land war im Jahr 2001 die Niederlande. Und dieses Jahr hat England beschlossen, dass das zurzeit existierende Partnerschaftsgesetz für homosexuelle Paare nicht länger gut genug sei, weswegen das Land die Ehe für homosexuelle Paare ab 2014 öffnen wird. Dazu kommen zahlreiche Teilstaaten, z.B. in den USA oder in Mexiko.

Im US-Bundesstaat Kalifornien haben Gerichte die mittels Volksabstimmung in der Verfassung verankerte Definition der Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau in den letzten Jahren durch alle Instanzen für ungültig erklärt.

Das Beispiel USA ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich das Eheverständnis auch in einem tendenziell konservativen Land wandeln kann. Nachdem noch vor ein paar Jahren kaum eine Politikerin oder ein Politiker es gewagt hätte, die Eheöffnung für Homosexuelle zu befürworten, steht mittlerweile eine Mehrheit des Volkes sowie der amtierende Präsident hinter der Eheöffnung. Sogar die ultrakonservativen Republikaner, die jahrelang immer wieder versuchten, die amerikanische Bundesverfassung mit genau jener Ehedefinition zu ergänzen, die jetzt die CVP in der Schweiz verankern will, haben ihren Kampf in der Zwischenzeit praktisch aufgegeben.

2.2 Stiller Verfassungswandel möglich

Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis dieser Wandel des Ehebegriffs auch in der Schweiz Realität wird. Juristen und Professoren sprechen hier von einem „stillen Verfassungswandel“, also dass die Ehe auch gegenüber homosexuellen Paaren geöffnet werden kann, ohne dass eine Änderung der Verfassung nötig wäre. Die Definition der CVP würde diesen stillen Verfassungswandel jedoch verunmöglichen.

Dieser Meinung sind sowohl namhafte Professoren als auch das Eidgenössische Justiz und Polizeidepartement.

2.3 Was sagen Professoren?

Die CVP beruft sich zur Stütze ihrer Argumentation gerne auf Prof. Bernhard Ehrenzeller, Professor für Öffentliches Recht der Universität St. Gallen und Direktor am Institut für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis. Aber was sagt dieser Kronzeuge der CVP zu ihrer Argumentation? Gegenüber dem Tagesanzeiger liess er sich in einem Artikel zur Thematik folgendermassen zitieren:

Man kann nie ausschliessen, dass der Verfassungsbegriff der Ehe in Zukunft aufgrund einer dynamischen Auslegung offener verstanden wird, sich also auch auf andere Lebensgemeinschaften beziehen könnte. Mit der Umschreibung des Ehebegriffs in der Bundesverfassung werden einer solchen Weiterentwicklung des Rechts klare Grenzen gesetzt.

Uuups, liebe CVP.

2.4 Was sagt das EJPD?

Und auch das Bundesamt für Justiz, also die höchste juristische Instanz des Bundesrats widerspricht der CVP Argumentation. So enthüllte das Mannschaft-Magazin, zusammen mit Anton Kohler, dass das Bundesamt für Justiz wegen dieser Definition die ganze Initiative hätte ablehnen wollen. Das Bundesamt für Justiz schrieb denn auch

„[…]dass in Zukunft ein sog. stiller Verfassungswandel stattfinden könnte, der es bei gleichbleibendem Wortlaut erlauben würde, auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften zur Ehe zuzulassen […] Würde die Initiative angenommen, wäre ein solcher stiller Verfassungswandel nicht mehr möglich. Ohne einer allfälligen künftigen Entwicklung vorgreifen zu wollen erscheint es im vorliegenden Kontext verfehlt, diese wichtige gesellschaftspolitische Frage sozusagen en passant mitzuentscheiden und explizit in der Verfassung zu verankern.“

Nochmals uuups, liebe CVP.

2.5 Bundesrat krebste zurück

Auch wenn die Stellungnahme des EJPD den Bundesrat nicht zum Umdenken bewegte, so schien sie bei ihm trotzdem auf Gehör zu stossen. Denn ursprünglich wollte der Bundesrat in seiner Botschaft auf die Diskussion rund um die Ehedefinition eingehen. Im Botschaftsentwurf wollte er unter Punkt 3.2.3 darauf hinweisen, dass er an der traditionellen Ehedefinition festhalten möchte. Das EJPD schrieb, dass diese „Äusserungen ersatzlos zu streichen“ seien. Es schrieb weiter:

„Der Bundesrat legt sich hier fest, ohne dass aufgrund des Kontexts dazu tatsächlich eine Notwendigkeit besteht. Es handelt sich hier um ideologische Ausführungen, die nichts mit der im vorliegenden relevanten Fragen zu tun haben. Zwar ist es richtig, dass sich der Bundesrat in der Vergangenheit entsprechend geäussert hat. Betrachtet man aber die gesellschaftspolitischen Entwicklungen im In- und Ausland, ist die Bedeutung solcher Äusserungen aus der Vergangenheit zu relativieren.“ Dies schien den Bundesrat zu überzeugen. In der definitiven Botschaft ist zur Ehedefintion nichts mehr zu lesen. Dies beweist, dass auch dem Gesamtbundesrat bewusst geworden sein muss, dass ein Wandel der Ehedefinition durchaus möglich wäre.

Und nochmals: Uuups, liebe CVP.

Behauptung 3: Wenn Ehe geöffnet werden soll, muss Verfassung geändert werden

Die CVP behauptet aufgrund ihrer (oben widerlegten) Argumentation, dass eine Verfassungsänderung nötig ist, wenn die Ehe homosexuellen Paaren gegenüber geöffnet werden soll. Nun, wie genau soll das denn gehen? Sollen wir eine Initiative zur Änderung der Botschaft von 1996 lancieren? Schliesslich ist dies das einzige Dokument, auf das sich die CVP ihrer Argumentation berufen kann – in der Verfassung steht keine Definition. Da die Ehe in der Verfassung nirgends definiert wird, ist es überhaupt nicht nötig, dass wir eine Initiative einreichen, um die Ehe gegenüber homosexuellen Paaren zu öffnen. Wie oben dargelegt, könnte dies leidglich auf Gesetzesstufe gemacht werden. Diese Behauptung ist also nichts weiter als eine Nebelpetarde, um das Volk zu verwirren.

Behauptung 4: Definition ist nötig zur Abschaffung der Heiratsstrafe

Die CVP schreibt auf ihrer Webseite

„Man muss die Ehe umschreiben, wenn man die Diskriminierung der Ehe abschaffen will.“

Aha. Stimmt, ohne Definition wüsste man nicht, was unter Ehe verstanden wird. Der Bundesrat, das Parlament und das Volk wären in Chaos versunken beim Versuch herauszufinden, was die geheimnisvollen Worte „Ehe“, „Eheleute“ oder „Ehepaare“ zu bedeuten hat. Die CVP hat die Schweiz vor einem riesigen Chaos bewahrt, wie nett von ihnen.

Dass diese Behauptung absurd ist, wird nur schon klar, wenn man die Behauptungen 1, 2 und 3 der CVP bedenkt. Da stellt sich die Partei auf den Standpunkt, dass die Definition schon in der Verfassung verankert sei bzw. in der Botschaft des Bundesrates von 1996 bzw. dass die Öffnung der Ehe gegenüber homosexuellen Paaren eine Verfassungsänderung bedinge. Aber eben, um finanzpolitische Nachteile von Eheleuten abzuschaffen, ist eine Ehedefinition nötig. Diese Behauptung steht in solch komplettem Widerspruch zu den restlichen Behauptungen, dass man sich geradezu fremdschämen muss, wenn man sie liest.

Und falls dies noch immer nicht überzeugend genug war, lassen wir doch den Kronzeugen der CVP, Professor Ehrenzeller zu Wort kommen. Gegenüber dem Tagesanzeiger meinte er im oben zitierten Artikel auch:

„Die Definition der Ehe hätte man in der Familieninitiative auch offen lassen können. Zumindest verfassungsrechtlich war das keine Notwendigkeit. Aber das ist ein politischer Entscheid und damit das Recht der Initianten.“

Und einmal mehr: Uuups, liebe CVP.

Fazit

Die Argumentation der CVP, warum die Ehedefinition für das finanzpolitische Anliegen dieser Initiative nötig ist, entbehrt jeder Grundlage. Die Behauptungen scheinen auf den ersten (und sehr flüchtigen) Blick logisch, auf den zweiten Blick entpuppen sie sich aber als kompletter Unsinn. Eine Verankerung dieser ultrakonservativen Ehedefinition würde die Schweizer Verfassung zu einer der rückständigsten Verfassungen von ganz Europa machen und damit völlig quer in der Landschaft stehen. Was jedoch weitaus schlimmer ist; sie würde unmissverständlich klar stellen, dass unsere Verfassung homosexuelle Partnerschaften nicht als gleichwertig wie heterosexuelle Partnerschaften betrachtet und deswegen nicht zur Ehe zugelassen werden darf. Eine solche Diskriminierung ist unserer Verfassung nicht würdig.

Es ist deswegen komplett falsch, wenn die Gerhard Pfisters, Christophe Darbellays und andere Vertreter dieser Partei gegenüber den Medien treuherzig versprechen, bei dieser Initiative ginge es nicht um die Ehedefinition, sondern rein um die Abschaffung der Heiratsstrafe. Wer sich mit der Vorlage befasst hat, weiss es besser. Und jene, welche die Beteuerungen wirklich glaubten, sollten es spätestens ab jetzt nicht mehr tun.

21 11, 2013

Warum die CVP Initiative für (teil)ungültig zu erklären ist

2013-11-21T01:12:26+01:0021. November 2013|

Bald wird die Steinzeit-Initiative der CVP, die eine konservativen Definition der Ehe und gleichzeitig die Abschaffung von finanziellen Benachteiligungen von Ehepaaren fordert, in die parlamentarische Beratung kommen. Im Vordergrund der Diskussion im Kampf gegen die Initiative steht die Idee eines Gegenvorschlags, der die rückständige, ultrakonservative Ehedefinition der CVP weglässt. Sollte die Intiative gültig sein, ist ein Gegenvorschlag selbstverständlich nötig. Aber ist sie das?

Einheit der Materie – was ist das?

Damit eine Volksinitiative in der Schweiz gültig ist, muss sie die so genannte „Einheit der Materie“ erfüllen. Dies bedeutet, dass Forderungen einer Initiative einen sachlichen Zusammenhang aufweisen müssen. Weiter bedeutet dies, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger die Möglichkeit haben sollten, ihren politischen Willen unverfälscht abgeben zu können. In seiner Botschaft zur Initiative äussert sich der Bundesrat mit zwei Standardsätzen zu dieser wichtigen Frage.  Auf Seite 4 schreibt er

zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderung an die Einheit der Materie.

Wow –wie überzeugend.

Eine Abstimmung – Zwei Fragen

Man kann sich streiten, ob allenfalls ein gewisser sachlicher Zusammenhang zwischen einer Ehedefinition und den von Eheleuten zu bezahlenden Steuern besteht. Was ist aber mit dem Recht, seine Meinung unverfälscht abgeben zu können? Wenn man nämlich genauer hinsieht, wird deutlich, dass es sich bei dieser Vorlage um zwei Themen handelt.

Der erste Satz legt in der Verfassung eine Definition des Wortes Ehe fest. Eine solche Definition steht noch nirgends in der Verfassung und würde mit dieser Initiative zum allerersten Mal in der Verfassung verankert. Es handelt sich hier also um eine gesellschaftspolitische Frage: Wollen wir in der Verfassung ausdrücklich festhalten, dass die Ehe nur als Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau gilt?

Der zweite Teil der Initiative fordert die Abschaffung der steuerlichen (und sozialversicherungsrechtlichen) Benachteiligung von Ehepaaren. Hier handelt es sich um eine finanzpolitische Frage: Wollen wir diese finanziellen Benachteiligungen für Ehepaare abschaffen?

Perfides Dilemma

Wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über diese Initiative abstimmen, müssen sie zwei verschiedene Fragen mit einer einzigen Antwort beantworten. Es ist z.B. nicht möglich, dass ich NEIN zur Definition der Ehe in der Verfassung sagen will, gleichzeitig aber JA zur Abschaffung der finanziellen Benachteiligung für Eheleute stimmen möchte. Man muss sich also entscheiden, was man schwerwiegender findet. Das verunmöglicht nicht nur die unverfälschte politische Willensäusserung, sondern tut dies auch auf eine sehr perfide Art und Weise. Homosexuelle stellen in der Schweiz eine Minderheit dar. Man lockt also die  heterosexuelle Mehrheit mit einer finanzpolitischen Frage, um sie gleichzeitig für ein Anliegen zu gewinnen, das von den betroffenen Minderheiten vehement abgelehnt wird. Im Klartext: Wenn ihr JA stimmt, sorgt ihr dafür, dass homosexuelle Paare per Verfassung von der Ehe ausgeschlossen werden, dafür erhaltet ihr aber finanzielle Vorteile.

Wir alle wissen, dass finanzielle Entlastungen bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürger immer eine grosse Rolle spielt. Die Abschaffung der Heiratsstrafe ist denn auch äusserst populär. Die CVP versucht also bewusst, den Wunsch nach finanzieller Entlastung als Trumpf auszuspielen, um eine  ultrakonservative Ehe-Definition in der Verfassung zu verankern. Das ist zwar geschickt, dafür aber umso perfider.

Missbrauch des Initiativrechts

Würde man diese Initiative für gültig erklären, würde das nicht nur den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern die Möglichkeit nehmen, ihre Meinung unverfälscht zu äussern. Nein, man würde auch zulassen, dass das Initiativrecht dazu missbraucht wird, Mehrheiten gegen Minderheiten auszuspielen. Diese Gefahr besteht zwar bei jeder Initiative, die sich gegen Minderheiten richtet. Aber die Dreistigkeit des Grundsatzes dieser Initiative, nämlich ihr-von-der-Mehrheit-erhält-finanzielle-Vorteile-wenn-ihr-die-Minderheit-schikaniert, ist dann doch nochmals ein anderes Kaliber. Ein Kaliber, das auch im krassen Gegensatz zu dem steht, was in unserer Bundesverfassung zuvorderst zu finden ist nämlich, dass „die Stärke des Volkes sich misst am Wohle der Schwachen“.

Wegweisender Entscheid

Bleibt zu hoffen, dass das Parlament diesem perfiden Spielchen eine deutliche Abfuhr erteilt und die Volksinitiative zumindest teilweise für ungültig erklärt. Damit könnte der erste Satz der Initiative gestrichen werden und nur die finanzpolitische Frage zur Abstimmung gelangen. Sollte es der CVP wirklich nur um die Heiratsstrafe gehen, wird sie gegen dieses Vorgehen nichts einzuwenden haben. Dies wäre nicht nur die sauberere Lösung.  Vielmehr würde damit auch deutlich gezeigt, dass ein solch hinterhältiges Vorgehen nicht akzeptiert wird. Dies würde nicht nur Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen nützen, sondern auch dem politischen Frieden in unserem Land.

 

Erster Blog zum Thema unter diesem Link.

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