26 09, 2012

Danke Ensy (Nachtrag zum offenen Brief)

2013-10-15T15:45:19+02:0026. September 2012|

Ensy hat auf meinen offenen Brief reagiert und in der Kommentarfunktion persönlich Stellung genommen:

ENSY schrieb am 26. September 2012 09:50:

Hallo Alan 

Ich habe deinen offenen Brief nun durchgelesen. Ich bin der gleichen Meinung, dass Beleidigungen und Diskriminierung schlecht sind. Darauf können wir uns definitiv einigen. desweiteren möchte ich mich hier mit meinem öffebntlichen Statement bei Dir und bei vielen anderen Schwulen, die durch meinen Beihtrag verletzt wurden entschuldigen:

Ich möchte mich ausdrücklich und in aller Form bei allen Leuten, die sich durch meinen Post beleidigt fühlen, entschuldigen. Meine Einstellung zu Homosexuellen ist eher kritisch, nichts desto trotz ist meine Wortwahl im vorgestrigen Facebook-Beitrag unverzeihlich. Ich bin gegen jegliche Form von Diskriminierung und distanziere mich hiermit von den radikalen Aussagen und Beleidigungen explizit.

Freundliche Grüsse
Ensy

Weiter hat er sich sowohl auf seiner Facebookseite als auch gegenüber tillate/20min und Joiz öffentlich und deutlich für seine Aussagen entschuldigt. In einem Telefongespräch hat er mir auch  versichert, dass seine Aussagen eine Affekthandlung waren und keineswegs seine wirkliche Haltung gegenüber Homosexuellen repräsentiere. Der Vorfall habe ihm auch die Augen geöffnet. Er respektiere uns und spreche sich deutlich gegen Diskriminierungen jeglicher Art aus.

Wie ich bereits mehrmals geschrieben habe, sollten wir Diskriminierungen gemeinsam bekämpfen, statt uns gegenseitig zu bekriegen. In meinem Brief an Ensy habe ich ihm darum die Hand ausgestreckt und den Vorschlag gemacht, gegen jegliche Form von Diskriminierungen zu sein.  Unter den Reaktionen darauf waren viele, die dies „bei Menschen wie ihm“ als sinnlos erachteten. Ensy hat den Vorschlag aber angenommen und damit auch all jenen, die dies nicht für möglich gehalten hätten gezeigt, dass der Versuch, aufeinander zuzugehen der bessere Weg ist, statt in den Schützengräben zu verharren. Dafür ist ihm grossen Respekt zu zollen und ich hoffe, dass dies einen positiven Effekt gegen Homphobie in unserem Land hat.

Jede und jeder von uns hat sich schon unüberlegt geäussert. Gerade in Social-Media-Zeiten werden unüberlegte Aussagen schnell und leicht gemacht. Weniger leicht ist es, genauso öffentlich zu einem Fehler zu stehen und sich von gemachten Aussagen zu distanzieren. Ensy hat hier eindeutig Grösse bewiesen.

Auch wenn diese Angelegenheit nun eine erfreuliche Wendung genommen hat, ist klar, dass gegen Homophobie noch viel unternommen werden muss. Auch in der vermeintlich toleranten Schweiz ist es dafür noch ein weiter Weg. Aber auch wenn dieser Weg weit ist, er ist machbar. Ereignisse wie diese zeigen es.

 

25 09, 2012

Ein offener Brief an Rapper Ensy

2013-10-17T22:27:58+02:0025. September 2012|

Lieber Ensy

Eigentlich ist es besser Beleidigungen, wie du sie geäussert hast, zu ignorieren. Da du aber nur aussprichst, was einige in diesem Land denken und ich noch Hoffnung hege, dass Ignoranz überwindbar ist, schreibe ich trotzdem ein paar Zeilen an dich.

Erst einmal frage ich dich, warum du es nötig hast, so krass über Leute wie mich herzuziehen. Was hast du davon, wenn du uns so beleidigst? Fühlst du dich dann besser? Krasser? Fördert das dein Image als Gangsterrapper? Mutig sind deine Aussagen auf jeden Fall nicht. Im Gegenteil, mutig wäre es, als Rapper hinzustehen und für Akzeptanz von Homosexuellen zu werben.

Anyway, zurück zu meiner Frage: Niemand erwartet von dir, dass du Homosexualität verstehst (jedem seinen Horizont). Warum aber die Beleidigungen? Warum nicht einfach leben und leben lassen? Was stört es dich, wenn sich Männer „kräftig in den Hintern geben“ und warum soll das eine Straftat sein? Mal ganz abgesehen davon, dass mich deine Faszination zu diesem Thema erstaunt (immerhin bietest du Dildos für Schwule als Geschenk an und beschreibst, was Männer damit machen können, was mich auch an Studien erinnern, die besagen, dass viele Schwulenhasser selber nicht ganz so „100% hetero“ sind, wie du von dir auf deiner Seite schreibst), ist es doch gut für dich, wenn es homosexuelle Männer gibt. Dann gibt’s mehr von dem was du „lange Haare, Brüste, runder Po und Muschis“ nennst, für dich!

Aber wenn du schon die Religion als Grund für deine Ablehnung ins Spiel führst, lass mich dir ein wenig Nachhilfe dazu geben. Im Koran steht nichts, aber auch rein überhaupt gar nichts ausdrücklich über Homosexualität. Nichts! Niente! Nada! Natürlich gibt es Passagen, die so gedeutet werden könnten, wenn man denn will, aber eine ausdrückliches Verbot steht nicht.Hier, hier und hier hast du sonst ein paar Interpretationen dazu. Was allerdings steht, sind Dinge wie „sag den gläubigen Männern, sie sollen (statt jemandes anzustarren, lieber) ihre Augen niederschlagen, und ihre Keuschheit bewahren“ (Sure 24 Vers 30). Das heisst, dass was du über die Brüste und die „Muschis“ schreibst oder das Angebot, dass du Alicia Parel gemacht hast, etwas eindeutiger verurteilt werden, als Homosexualität. Du siehst, egal wie man religiöse Bücher interpretieren will, sie sind nicht sehr geeignet, um heutzutage wortwörtlich danach zu leben.

Aussagen, wie du sie gemacht hast (und ganz viel andere Menschen machen) sind der Grund dafür, dass die Selbstmordrate unter homosexuellen Jugendlichen ein Vielfaches höher ist als bei heterosexuellen Jugendlichen. Sie sind der Grund, dass ganz viele Homosexuelle Angst haben, sich zu outen, depressiv werden oder auf der Strasse und in der Schule gemobbt oder angegriffen werden. Das kannst du doch nicht gut finden?! Und wenn dir das egal ist, stell dir doch einfach mal vor, wie du es finden würdest, wenn Leute aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Nationalität gemobbt und angegriffen würden? Denn genauso wie diese Leute mit ihrer Herkunft oder Hautfarbe geboren werden, wurde ich als homosexueller Mann geboren (was man übrigens nicht über Religionen sagen kann, die werden einen anerzogen, womit es beim Wettbewerb was natürlicher ist, Homosexualität oder Religionen, 1:0 für Homosexualität steht, aber das spielt hier auch keine Rolle). Dass Homosexualität natürlich ist, sollte im Jahre 2012 also allen klar sein, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Homosexualität bei 1’500 Spezies festgestellt wurde. Und wenn du diese Tatsache noch immer nicht akzeptieren willst und Homosexualität für unnatürlich hälst, nochmals die Frage: was stört es dich und was geht es dich an, in wen ich mich verliebe und mit wem ich ins Bett steige?

Siehst du, du beklagst dich darüber, dass der Islam kritisiert wird und Hass-Filme darüber gedreht werden. Aber merkst du nicht, dass Aussagen wie deine, gerade dazu führen, dass es hier noch mehr Menschen gibt, die etwas gegen den Islam haben? Du schadest mit solchen Aussagen also nicht nur dir selber, sondern deiner Religion, die dadurch noch mehr kritisiert wird. Weisst du, wer sich am meisten ab deinen Aussagen freut? Leute, die Ausländer und den Islam hassen! Und weisst du, wer verliert? Leute wie ich, die sich gegen Rassismus einsetzen. Ich finde es nämlich auch idiotisch, wenn irgendwelche Hasser den Islam mit dummen Filmen beleidigen. Niemand hat was davon, denn eine Diskussion wird dabei gar nicht gesucht, man will nur beleidigen und provozieren. Meinungsfreiheit ist wichtig, Beleidigungen sind aber ein Missbrauch der Meinungsfreiheit, denn sie haben nicht zum Ziel, eine Meinung zu äussern, sondern andere zu verletzen. Warum also tust du genau das, was du anderen vorwirfst? Wäre es nicht besser, wenn wir gemeinsam gegen Hass, Beleidigungen und Diskriminierungen vorgehen würden, statt uns gegenseitig zu bekriegen?!

Darum komm, ich mache dir einen Vorschlag: Einigen wir uns doch darauf, dass Beleidigungen und Diskriminierungen schlecht sind. Egal ob sie sich gegen Ausländer, Moslems, Dunkelhäutige, Menschen mit Behinderungen oder Homosexuelle richten. Was meinst du? Schliesslich ist das letztendlich auch der Sinn der von dir zitierten Religionen: Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gemeinschaft, statt Hass. Hass erzeugt Gegenhass. Das nennt man einen Teufelskreis. Und den Teufel finden wir schliesslich alle (ob religiös oder nicht religiös) Scheisse.

Beste Grüsse

Alan

PS: Falls dich das Thema Adoptionsrechte für homosexuelle Paare interessiert, empfehle ich dir entweder diese Diskussion auf Joiz oder meine offenen Briefe an die beiden Nationalräte Christian Wasserfallen und hier.

4 07, 2011

Illi’s Irrtum*

2013-10-17T22:44:07+02:004. Juli 2011|

Kürzlich hat Frau Nora Illi, Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz, die im Islam teilweise noch vorhandene Mehrehe in der Zeitung „Sonntag“ mit folgenden Worten begründet: „Die Aufgabe einer Frau ist es, ihren Mann zufriedenzustellen. Wenn im Koran steht, dass ein Mann mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein kann, dann ist das so. Es liegt in der Natur des Mannes, dass er sich irgendwann nach einer anderen Frau sehnt. Viele Frauen sind zu egoistisch. Ich habe keinen Besitzanspruch auf meinen Mann.“

Diese Aussage ist grob verzerrter Unfug. Es ist richtig, dass im Islam die Mehrehe prinzipiell erlaubt ist. Sie kam aber nicht deswegen auf, weil die Frau den Mann zufrieden zu stellen hat, sondern entstand im Jahre 625 nach der Schlacht von Uhud, in welcher viele Männer fielen. In dieser Zeit lebten in der islamischen Gemeinschaft daher weniger Männer, dafür mehr Frauen und Waisen. Deswegen erlaubte der Prophet die Mehrehe von bis zu vier Frauen, nicht aber aufgrund des Triebes der Männer, sondern um soziale Missstände zu beseitigen.

Der Krux an der Sache: Der Mann muss alle Frauen gleich zufriedenstellen und jeder die gleiche Aufmerksamkeit widmen. Das bedeutet auch, dass er jeder Frau ein eigenes Haus finanzieren und gleich viel Zeit mit jeder verbringen muss. Er darf keine benachteiligen. Aus diesem Grund erlaubte der Prophet die Mehrehe zwar, riet aber von ihr ab, weil er wusste, dass die Bedingungen praktisch unmöglich waren und der Mann somit seine Pflichten als Ehemann kaum hätte erfüllenn können. Der Prophet verbot seinem Schwiegersohn sogar, mehr als eine Frau zu heiraten und sagte gemäss einer Hadith (also einer überlieferten Nachricht): „wenn jemand zwei Frauen hat und sich nur einer von ich ihnen zuwendet, dann kommt er am Tag der Auferstehung mit einer gelähmten Körperhälfte.“ Die Frauen dürfen also auch in einem konservativen Islam ruhig etwas egoistischer sein. Wenn nicht sich selbst, dann der einen Körperhälfte ihrer Ehemänner zuliebe.

*Artikel im Tages-Anzeiger am 4. Juli 2011 erschienen

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